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Ivan Zivko, 1999 im Dress der Vienna Vikings.
Die Saison in der Austrian Football League ist bereits voll im Gange, und auch dieses Jahr gelten die Danube Dragons, die 2010 erstmals österreichischer Meister wurden, als Titelanwärter. Ivan Zivko, Headcoach der Stadlauer Football-Mannschaft, spricht im Interview über den bisherigen Saisonverlauf der Drachen, wieso Football Rasenschach ist, wie sich der Sport verändert und wo die Gefahren liegen.
derStandard.at: Vier Spiele, zwei Siege und zwei Niederlagen der Danube Dragons in der laufenden AFL-Saison. Wie sieht Ihr bisheriges Resümee aus?
Zivko: Das was wir uns vorgenommen haben, haben wir zum Teil erfüllt. Einige Dinge haben nicht so gut funktioniert. Ich denke aber trotzdem, dass wir derzeit ungefähr einschätzen können, wo wir in der Liga stehen. Langsam finden wir auch heraus, wer die Leute sind, die künftig noch mehr Spielzeit bekommen.
derStandard.at: Vor der Saison können die Gegner schwer eingeschätzt werden, mittlerweile sind die Stärken und Schwächen bekannt. Wo werden die Danube Dragons am Ende der Saison stehen?
Zivko: Ich denke, dass die Stärke einer Mannschaft von den Ausfällen abhängt. Mittlerweile kann man aber deutlich absehen, welche Teams sich in den Play-offs treffen werden und da hängt es dann schlussendlich davon ab, wer die gesündeste Auswahl am Feld hat.
derStandard.at: Wie sind Sie mit dem Sport in Kontakt gekommen?
Zivko: Mein großer Bruder hat angefangen, American Football zu spielen, weshalb ich natürlich angefangen habe, mich für den Sport zu interessieren. Mit 15, 16 Jahren hatte ich also meine ersten Kontakte mit American Football. Seit 1993 setze ich mich intensiv mit dem Sport auseinander, mittlerweile sind es 20 Jahre geworden.
derStandard.at: American Football gilt als Rasenschach. Wie lange haben Sie gebraucht, um die taktischen Komponenten des Spiels zu verstehen?
Zivko: Ich glaub, dass nie jemand die Gesamtheit der Taktik verstehen wird. Du versuchst Auszüge zu glauben und je mehr du davon erfährst, desto mehr erkennst du, dass du eigentlich keine Ahnung davon hast. Ich hab in meinem Leben natürlich einige Taktik-Ausbildungen genossen, die mir geholfen haben, aber letztendlich musst du an eigene Entwicklungen glauben.
derStandard.at: Sprechen wir wieder über Ihre Arbeit, wie erarbeiten Sie einen Game-Plan?
Zivko: Das Erstellen von einem Game-Plan ist das größte Mysterium im American Football. Jeder Headcoach hat seinen Weg gefunden, den er nicht preisgeben wird. Hauptsächlich sichte ich Videomaterial und passe es an den Game-Plan an. Natürlich muss ich mich auch mit dem Trainer der gegnerischen Mannschaft beschäftigten. Was sieht dieser bei mir, was kann ich bei ihm erkennen. Hierfür geht eigentlich die meiste Zeit drauf. Ganz wichtig ist es aber, dass du bei jedem Spiel Überraschungen parat hast, das heißt, dass du neue Spielzüge und neue Formationen präsentieren kannst.
derStandard.at: Robert Griffin III und Russel Wilson haben die Rolle des Quarterbacks in der vergangenen NFL-Spielzeit neu definiert. In welche Richtung wird sich die Position des Spielmachers entwickeln?
Zivko: Ich glaube, dass das wie in der Natur ist. Du hast gewisse Strömungen, wo es nach einer Zeit Gegenströmungen gibt. Wenn es also beweglichere Quarterbacks gibt, werden die Defensive Backs und die Linebacker schlanker und schneller werden. Dann wird sich ebenso die Defensive Line verschlanken. Irgendwann wird es dann so sein, dass die Offensive Line stärker und größer wird. Das geht einfach so hin und her.
derStandard.at: Härte ist eine große Komponente des Sports. Denken Sie, dass sich American Football härtetechnisch verändern wird?
Zivko: Was man in der AFL und NFL sieht, ist, dass je besser die Athleten werden, umso mehr Impact findet am Feld statt. Das ist ein natürlicher Prozess. Ich weiß nicht, wie sich das in der NFL verändern wird aber ich sehe in der österreichischen Liga, dass die Einschläge mittlerweile riesig sind. Wie ich noch als Spieler am Feld gestanden bin, war das wesentlich anders. Wenn man zum Beispiel die heutigen jungen Athleten mit denen vergleicht, die noch vor ein paar Jahren gespielt haben, dann erkennt man ziemliche Unterschiede. Es hat früher natürlich auch gute Leute gegeben, aber nicht diese Dichte an so vielen jungen athletischen American-Football-Spielern.
derStandard.at: In der vergangenen NFL-Saison hat es mehrere Selbst-Tötungen gegeben. Experten gehen davon aus, dass dies zum Teil auf die irreversiblen Hirnschäden zurückzuführen ist, die sich im Laufe der Karrieren angehäuft haben. Unternimmt die NFL zu wenig?
Zivko: Es ist schwer abzuschätzen, was in Zukunft von der NFL getan wird. Die Liga arbeitet auf jeden Fall dagegen an. Fakt ist aber, dass der Kopf der Bereich ist, der den größten Impact abbekommt. Ich finde trotzdem, dass die derzeitigen Reduzierungen in der NFL zu viel des Guten sind, weil die Spielweise massiv verändert wird.
derStandard.at: Wie würden Sie reagieren, wenn in einer wichtigen Phase des Spiels ein Schlüsselspieler zu Ihnen kommt und über Kopfschmerzen klagt. Weiterspielen lassen oder vom Feld nehmen?
Zivko: Wenn ich mich strafbar machen möchte, dann lasse ich ihn natürlich weiterspielen. Nein, ich würde ihn selbstverständlich vom Feld nehmen. Wir hatten vor kurzem den Fall, dass ein Spieler während einer AFL-Partie am Boden liegen geblieben ist. Es hat im ersten Moment so gewirkt, als hätte er einen Schlag in den Solarplexus bekommen. Nach einiger Zeit hat er das Spielfeld dann alleine verlassen können und natürlich habe ich mich gefragt, ob ich ihn weiterspielen lassen soll. Schlussendlich hat sich herausgestellt, dass er einen Milzriss erlitten hat. Da musste ich dann schon länger darüber nachdenken, weil es keinerlei Anzeichen für eine derartig heftige Verletzung gab.
derStandard.at: In dieser Saison gab es bereits einige Spielabsagen aufgrund von nicht bespielbaren Plätzen. Mangelt es in Österreich an passender Infrastruktur für American Football?
Zivko: In der NFL ist es komplett egal, ob du im Jänner oder im Oktober spielst, weil die Zuschauer so oder so kommen. In Österreich ist es so, dass die Leute bei schlechtem Wetter eher nicht ins Stadion kommen. Bei manchen Teams steht Taktik dahinter, weil du bei manchen Wetterbedingungen wesentlich mehr Zuschauer zum Spiel locken kannst. Der Unterschied macht dann schon 10.000 bis 15.000 Euro aus.
derStandard.at: Budgettechnisch sind die heimischen American-Football-Clubs den Fußballvereinen klar unterlegen, obwohl die wachsenden Zuschauerzahlen für den US-Sport sprechen. Ist Football in Österreich immer noch eine Randsportart?
Zivko: Ich glaube, dass die Footballer verstanden haben, dass nicht das Produkt Football verkauft wird, sondern das Erlebnis. Football begeistert Menschen mit dem Einlauf der Spieler, mit kulinarischen Angeboten, mit Musik, mit Cheerleadern und so weiter. Hier hebt sich der Sport von anderen österreichischen Sportarten ab. Dadurch ist es möglich, dass wir derzeit 2.000 bis 3.000 Zuschauer im Grunddurchgang und 5.000 bis 6.000 Zuseher im Finale haben. Da ist also noch viel drinnen.
derStandard.at: Zurück zum Budget, die österreichischen Fußballspieler verdienen sehr gut. Wieso wird den heimischen Football-Spielern kein Geld bezahlt?
Zivko: Sobald bei einer Sportart Geld ausbezahlt wird, verändert sich die Kultur dahinter. Um einen Spieler, der achtmal in der Woche trainiert und am Wochenende ein Spiel hat, dementsprechend zu bezahlen, müsste ich ihm wohl 800 Euro geben. Selbst das ist im Fußball überhaupt nichts. Die österreichischen Footballer spielen derzeit für Ruhm und Ehre. Das ist ein Gehalt, das dir niemand bezahlen kann. Geld war bei unseren Spielern nie ein Thema.
derStandard.at: Wo steht rot-weiß-roter Football in zehn Jahren?
Zivko: Bei der Football-WM in Österreich vor zwei Jahren hätte ich nie geglaubt, dass American Football hier ein Stadion füllen kann. Ich denke trotzdem, dass wir hierzulande eine gewisse Sättigung im Zuschauerbereich erreicht haben. Nun sind alle Mannschaften und der Verband gefragt, um die 5.000- bis 6.000-Zuschauer-Hürde zu schaffen. Sportlich gesehen wird es interessant werden, ob noch mehr heimische Nachwuchsspieler den Sprung in eine College-Mannschaft schaffen. Ich denk, dass die AFL-Mannschaften in den nächsten zehn Jahren jünger und athletischer werden. Es wird bereits heute eine andere Art von Football gespielt, als noch vor zehn Jahren und da darfst du mit deinem Team den Anschluss nicht verlieren. (Daniel Koller, derStandard.at, 8.5.2013)