Vor wenigen Tagen erklärte Jared Cohen, ehemals Berater von Hillary Clinton und nunmehr Chef-Geostratege bei Google, im STANDARD-Interview, dass sich Regierungen in der digitalen Zukunft zwei Außenpolitiken zulegen müssten - eine für die reale, eine für die virtuelle Welt. Für die USA und China, so scheint es, ist dieser Zwei-Welten-Politikansatz bereits jetzt Normalität.

Beide beschwören einerseits ihre Absicht, partnerschaftlich ins 21. Jahrhundert zu navigieren. Sie sprechen von Handelsströmen, gegenseitigen Investitionen, wechselseitiger finanzieller und wirtschaftlicher Abhängigkeit (China ist der größte Gläubiger der USA, die Staaten sind seit kurzem größter Exportmarkt für China). Andererseits liefern sich Peking und Washington unter der Wahrnehmungsschwelle einer breiten Öffentlichkeit erbitterte digitale Scharmützel. Beide haben in den vergangenen Jahren im virtuellen Raum enorm aufgerüstet und versuchen derzeit auszutesten, wie weit sie in dieser Domäne gehen können.

China hat dabei Vorteile. Die kritische Infrastruktur der USA ist unzureichend gesichert, schon vor Jahren sollen chinesische Hacker - versehentlich - einen Teil des Stromnetzes in den Südstaaten abgedreht haben. Aber auch Rüstungsfirmen wie Lockheed Martin wurden zuletzt Opfer mutmaßlich chinesischer Hacker. Die USA schlagen zurück, indem sie solche Aktionen anprangern. Recht viel mehr haben sie China derzeit nicht entgegenzusetzen. (, DER STANDARD, 8.5.2013)