An der Wand glitzern silbrige Schindeln, auf der Speisekarte wird mit hippem Gastro-Vokabular hantiert.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Moments
Karmelitermarkt 96, 1020 Wien
Tel.: 0699/17154048
Mo-Sa 7-22.30 Uhr
VS € 3,80-15,40, HS € 10,70-42

Foto: Gerhard Wasserbauer

Es war einmal das Marktachterl, ein extradick einpatiniertes Tranklerstandl am Wiener Karmelitermarkt. Mit der Boboisierung des Viertels wuchs die Begehrlichkeit auf die Bude samt ihrem großmächtigen Gastgarten.

So wurde verkauft, umgebaut, nicht nur einmal. Zuerst behutsam, dann immer ungestümer wurden Möbel in neorustikaler Holzanmutung eingepasst, bis das Standl irgendwann zu eng - und jenes von nebenan annektiert werden musste: noch mehr Plastikmöbel, noch weniger Konzept. Bald stand ein Moloch von Retorten-Restaurant am zusehends marktstandlfreien Markt, von dem keiner - am wenigsten die Betreiber - wusste, warum man gerade da sein Gerstl lassen sollte.

Als "Moments" wieder eröffnet

So wurde abermals verkauft, mehr Plastik angeschafft und, äh, ein Shop-im-Shop von Blondwinzer Hillinger eingebaut. Seit Donnerstag vergangener Woche ist es als "Moments" wieder geöffnet: Der Name kann als Zeitangabe verstanden werden - bis zur nächsten Übernahme.

An der Wand glitzern riesenhafte, silbrige Schindeln (Saurierschuppen?), auf der Speisekarte wird mit hippem Gastro-Vokabular (Sous-Vide, Yuzu, Olivengel) hantiert, am Teller aber kommt von dem modischen Zinnober wenig an. Zwar versichert der Küchenchef, dass Fisch nicht bloß ein paar Mal die Woche frisch geliefert werde, sondern gleich "mehrmals täglich" - angesichts des Gebotenen dürfte der brave Lieferant mit der Ware aber hauptsächlich im Kreis fahren.

Wobei: Die mit 8,10 Euro für vier Stück wirklich toll kalkulierten Austern kommen hübsch geschrubbt und auch sonst in gewinnender Präsentation zu Tisch. Auch Tunfisch-Tartare ist frisch geschnitten, wirkt aber - wie die gräuliche Avocadocreme dazu - auf seltsame Art wässrig. Von "Yuzu-Würze" ist nichts zu bemerken, weil alles in einer Art Paprikaöl schwimmt, die den Geschmack in Richtung Puszta-Aufstrich lenkt.

Bis zum Anschlag mit Obers gesättigt

Cremige Fischsuppe ist, wie das schmelzkäsige "Risotto mit Räucheraroma", bis zum Anschlag mit Obers gesättigt. Wahrhaft riesige Riesengarnelen werden mit Sauce hollandaise und versalzenem "Spargeltartare" serviert, schmecken aber unangenehm nach Brackwasser - wie es bei Tieren aus Süßwasser-Zucht oft der Fall ist.

Richtig schlimm gerät der "Ramen von Edelfischen Liquid Moments": Butterfisch mit gar ältlichem Aroma, Jakobsmuschel wie meist ammoniakduftig - und die Shrimps schlicht hinüber. Da helfen die statt Nudeln servierten "Sepiagnocchi" - schleimige Schwarzbemmerln - ebenso wenig wie der extragelbe, aber weitgehend geschmacksfreie "Safransud", der wenig später als "Dashifond" nochmal raus darf - diesmal zu ordentlichen (aber bestenfalls lauwarmen) Sepiaravioli.

Sushi, laut Service von "einem echten Meister" gerollt, ist keine Ausweichoption: Welke Fischlappen, auf patzig süßen, komplett ungesäuerten Reis gepappt und mit Kimchi (?) serviert. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 10.5.2013)