Verena Stagl und Helmut Sattmann, "Der Herr der Würmer" - Leben und Werk des Wiener Arztes und Parasitologen Johann Gottfried Bremser", Böhlau Verlag, 240 Seiten, 29,90 Euro.

Coverfoto: Böhlau

Wien - Im Wiener Naturhistorischen Museum (NHM) befinden sich in mehreren Vitrinen Gläser mit meterlangen Bandwürmern. Eingelegt wurden sie vor rund 200 Jahren vom Wiener Arzt Johann Gottfried Bremser (1767-1827), Kurator in den "Vereinigten k.k. Naturalien-Cabineten", dem Vorläufer des heutigen NHM. Heute weitgehend unbekannt, war Bremser zu seiner Zeit eine internationale Koryphäe auf dem Gebiet der "Helminthologie", der Wissenschaft von den Eingeweidewürmern. Bremsers Nachfolger in einer langen Reihe, der Leiter der 3. Zoologischen Abteilung am NHM, Helmut Sattmann, und seine Kollegin Verena Stagl, haben nun Leben und Werk des "Herrn der Würmer" in einem Buch gewürdigt.

Anfang des 19. Jahrhunderts waren Eingeweidewürmer wie Band-, Saug- oder Fadenwürmer, die in Körpern von Tieren und Menschen leben, die einzigen Krankheitserreger, die man kannte. Sie waren damals auch in Mitteleuropa weit verbreitet und bereiteten den Menschen erhebliche Probleme - von Verdauungsstörungen bis zum Tod.

Bremser, 1767 in Wertheim (Deutschland) geboren, studierte in Jena Medizin und ließ sich 1797 als Arzt in Wien nieder. Er wurde in dieser Tätigkeit nicht nur zum streitbaren Verfechter der Pockenimpfung, sondern auch zu einem beliebten "Wurmdoktor", der bei entsprechenden Beschwerden half.

Falsche Theorie, aber beeindruckende Sammlung

Die besonderen Leistungen Bremsers lagen allerdings bei der Erforschung der Parasiten. Er legte die damals weltgrößte Eingeweidewurm-Sammlung an. Noch heute finden sich Tausende Gläschen mit Wurmpräparaten in der Sammlung des NHM, sagt Sattmann. Als größten Verdienst Bremsers bezeichnet der Experte, "dass er die bis dahin unbekannte Artenvielfalt" dieser Parasiten gezeigt hat. Bremser habe Zigtausende Sektionen durchgeführt und auch das Material der Brasilien-Expedition von Johann Natterer bearbeitet, er habe Feinstrukturen der Parasiten gezeichnet und bis dahin unbekannte Strukturen und Organe erkannt.

Trotz dieses wissenschaftlichen Zugangs war Bremser überzeugter Anhänger der Theorie der "Urzeugung", wonach Tiere wie etwa die Eingeweidewürmer aus toter, faulender organischer Materie entstehen können. Abgesehen davon, dass die Übertragungsstadien der Parasiten nur schwer zu entdecken und die Übertragungswege sehr kompliziert seien, nennt Sattmann auch "politische Beweggründe" für Bremsers Überzeugung: Dieser sei sich als Anhänger der "Urzeugung" fortschrittlich vorgekommen, denn gegen diese Theorie seien eher die konservativen Katholiken gewesen, die die spontane Entstehung von Leben als gotteslästerlich empfunden hätten. (APA/red, derStandard.at, 11. 5. 2013)