Washington - Alle Männer und alle Frauen, die vor 1.000 Jahren in Europa gelebt und Kinder in die Welt gesetzt haben, sind laut einer aktuellen Studie mit ziemlicher Sicherheit Urahnen jedes einzelnen heute lebenden Europäers. Forscher der Universität Kalifornien in Davis haben das Erbgut von mehr als 2.000 Personen aus 40 europäischen Ländern, darunter 14 Österreichern, untersucht, um ihre Verwandtschaftsbeziehungen zu erkunden. Ihr Ergebnis: Die Leute sind quer durch den Kontinent erstaunlich nahe verwandt, berichten sie im Fachjournal "PLoS Biology".

Selbst wenn man zwei Menschen von gegenüberliegenden Enden Europas hernimmt, etwa aus Großbritannien und der Türkei, hätten diese mit 20-prozentiger Wahrscheinlichkeit ein gemeinsames Stück Erbgut von einer gewissen Größe. Weil es extrem unwahrscheinlich ist, dass sie dieses von einem einzigen Vorfahren geerbt haben, müssen sich unter ihren Ahnen viele gemeinsame Vorfahren tummeln, erklären Graham Coop und Peter Ralph auf ihrer Webseite.

Einfache Rechnung

"Die sonderbar anmutende Idee, dass alle dieselben Urahnen haben, wurde schon vor zehn Jahren mathematisch und mit Simulationen vorhergesagt", so die Forscher. Nun habe man auch konkrete Hinweise aus DNA-Daten. Im Nachhinein scheine es ohnehin offensichtlich, weil die Zahl der Vorfahren schnell zunimmt, wenn man in der Zeit zurückgeht - die Zahl der Ahnen verdoppelt sich naturgemäß mit jeder Generation.

In tausend Jahren, also in einer Zeitspanne von etwa 30 Generationen, sammelt sich so eine hypothetische Zahl von einer Milliarde Vorfahren an - das wären aber mehr Menschen, als damals die Welt bevölkerten. "Jeder, der vor 1.000 Jahren lebte und Nachkommen hatte, ist also ein Vorfahr jedes einzelnen Europäers", folgerten die Forscher.

Intervenierende Variablen

Bei allen Gemeinsamkeiten der Europäer entdeckten sie aber auch subtile, lokale Einflüsse in den Verwandtschaftsverhältnissen. "Hindernisse wie Bergkämme oder sprachliche Unterschiede hatten einen Einfluss, indem sie die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Regionen leicht verringerten", so Ralph. Und während die Italiener untereinander und mit den anderen Europäern die wenigsten gemeinsamen Vorfahren hätten, seien die Osteuropäer im Schnitt ein bisschen näher miteinander verwandt.

Die Ahnenforschung auf DNA-Ebene würde die Archäologie und linguistische Studien ergänzen, meinte Coop. Diese könnten viel darüber erzählen, wie sich Kulturen und Gesellschaften verändert haben und Völker gewandert sind. Wenn die Menschen aber auf ihrer Wanderung eine neue Sprache und kulturelle Errungenschaften erlernen, verrät nur mehr ihr Erbgut ihre einstige Herkunft. (APA/red, derStandard.at, 12. 5. 2013)