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"Ich bin am Land aufgewachsen und weiß: Dort gibt es überall Wünschelrutengeher. Dort wächst man damit auf, das ist ganz normal", so Rosa Schwarzl, Präsidentin des Österreichischen Radiästhesieverbands. 

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"Ich weiß, dass die Dinger nutzlos sind, aber wir haben ja nichts anderes", so ein Sicherheitsmann über die vermeintlichen Bombendetektoren, die auf dem Prinzip der Wünschelrute beruhen.

Foto: reuters

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Steht das Bett am richtigen Platz, stehen die Chancen laut Wünschelrutengehern auf einen erholsamen Schlaf.

"Wenn es um Schuld und angerichteten Schaden geht, kann ich mir keinen schwerwiegenderen Fall als diesen vorstellen", so der Richter des Londoner Zentralgerichtshofs Anfang Mai. Angeklagt war der ehemalige Polizeischüler James McCormick, der im großen Stil angebliche Sprengstoffdetektoren auf Wünschelrutenbasis an das Militär im Irak, Libyen und Afghanistan verkaufte und wahrscheinlich hunderte Menschenleben auf dem Gewissen hat. "Ich weiß, dass die Dinger nutzlos sind, aber wir haben ja nichts anderes", zitiert "Der Spiegel" einen Sicherheitsmann, der in einem Beiruter Parkhaus nach Autobomben suchte.   

Der vermeintliche Detektor besteht aus einem Plastikgriff, an den eine drehbare Antenne montiert ist, und angeblich allein durch die Körperspannung des Benutzers mit Energie versorgt wird. Durch Ausschlagen der Antenne soll nicht nur Sprengstoff, sondern auch Drogen und Elfenbein aufgespürt werden -  bis zu hundert Meter weit und sogar durch Wände. James McCormick wurde wegen Betrug zu zehn Jahren Haft verurteilt - Höchststrafe.

Geopathische Störzonen

Auch in Österreich sind Geräte mit derselben Funktionsweise im Einsatz: Wünschelruten. Allerdings sollen damit nicht Bomben, sondern "geopathische Störzonen" aufgespürt werden. Zum Einsatz kommen "Y"-, "V"-oder "L"-förmige Stäbe aus Holz, Kunststoff oder Metall, die das gesuchte Objekt durch eine Bewegung ("Ausschlagen") anzeigen sollen.

Bereits im 15. Jahrhundert wurden Wünschelruten eingesetzt, um Erzadern ausfindig zu machen. Heute behaupten Radiästheten, mit ihnen schädliche "Erdstrahlen", archäologische Stätten oder sogar vermisste Personen finden zu können. In heimischen Schlafzimmern kommen die Ruten zum Einsatz, um Wasseradern und elektromagnetische Felder zu orten, die sich angeblich negativ auf Wohlbefinden und Schlafqualität auswirken können.

Anomalien im Erdmagnetfeld

"Wünschelruten spüren Anomalien im Erdmagnetfeld auf. Es ist die Weiterleitung einer Reaktion, die der Körper aufnimmt, etwa über die Fußsohlen, Hände oder die Chakren", sagt Rosa Schwarzl, Präsidentin des Österreichischen Verbands für Radiästhesie (übersetzt "Strahlenfühligkeit") und Geobiologie. Ob man mit einer Wünschelrute oder einem Pendel vorgeht, sei dabei egal. Sie selbst benutze gar kein Instrument und wäre auch allein mit ihrem Körper "total treffsicher".

Wissenschaftlichen Nachweis für die Wirkung der Wünschelruten gibt es bislang keinen: Alle seriösen Studien zum Thema verliefen negativ und zeigten auf, dass etwaige Erfolge bloß Zufallstreffer sind. Auch für Erdstrahlen oder andere unsichtbare Felder, die angeblich krank machen, gibt es bislang keinen Nachweis. Schwarzl verweist zwar auf die angeblich wissenschaftliche Dokumentation einer "Sachverständigen für Rutengehen", die allerdings auch keinen einzigen Beweis für die Wirksamkeit des Rutengehens beinhaltet.

Moderner Mythos

"Nach dem Stand der Wissenschaft gibt es keine geopathischen Störzonen - sie sind eine Erfindung der Wünschelrutengeher. Auch die Vorstellung, dass Wasser in unterirdischen Adern herumfließt, ist ein moderner Mythos, wie jeder Geologe bestätigen wird", sagt Ulrich Berger, Vorstand der "Gesellschaft für kritisches Denken" in Wien.

Auch für eine schädliche Wirkung von Elektrosmog oder Handystrahlung gebe es bislang keinerlei Nachweis. Elektromagnetische Felder hätten zwar einen gewissen, sehr geringen Einfluss auf die Hirnströme, krank machen sie aber allen Studien zufolge nicht. "Das Handy am Nachtkastl ist ungefährlich", so Berger.  

Unwillkürliche Muskelzuckungen

Der Grund für das Ausschlagen der Ruten: Es ist auf kleinste, unwillkürliche Muskelzuckungen zurückzuführen, die entstehen, wenn Muskeln nach längerer intensiver Anspannung wieder entspannt werden. Dieser Effekt wurde bereits im Jahr 1915 vom deutschen Neurologen Oskar Kohnstamm nachgewiesen.

Ein anderes Phänomen, das zum Tragen kommt, ist der Carpenter- oder Ideomotor-Effekt, bei dem die Hoffnung oder Erwartung, "dass da etwas zu finden sein müsse", minimale unbewusste Muskelbewegungen verursacht. Die Wünschelrute scheint sich von selbst zu bewegen, weil man die eigene Muskeltätigkeit gar nicht wahrnimmt.

Frage der Übung

Schläft man über einer Wasserader, werde der Körper geschwächt und könne sich nicht mehr so gut erholen, sagt die Radiästhetin Schwarzl: "Es wäre aber sehr weit hergeholt, zu sagen, dass man davon krank wird; das glaube ich auch nicht. Um eine Krankheit auszulösen braucht es viele Faktoren." Natürlich sei es aber beschwerlich, wenn dem Körper permanent Energie abgezogen wird, nicht nur im stressigen Berufs- und Privatleben, sondern zusätzlich auch im Schlaf.

Die meisten Rutengeher, die auf eine Wasserader im Schlafzimmer stoßen, raten dazu, das Bett anders zu positionieren, um den Erdstrahlen auszuweichen. "Das Problem ist nur, dass der nächste Rutengeher dann genau wieder unter dem umpositionierten Bett eine Ader findet", so Berger.

Schwarzl wiederum meint, das müsse so sein: "Die Erde mit all ihren Lebewesen ist immer nur eine Momentaufnahme. Die Geologie der Erde und alle anderen Verhältnisse ändern sich dauernd, auch Wasseradern bleiben nicht immer am selben Ort." Allerdings fänden mehrere Rutengeher am selben Tag in der Regel auch dieselben Wasseraden; das Problem mit wandernden Wasseradern trete meist erst dann ein, wenn man zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder einen Rutengeher beauftragt.

Scharlatane und schwarze Schafe

"Wirkliche Scharlatane" wiederum würden laut Berger nicht bloß das Bett umstellen, sondern teure Abschirmgeräte in verschiedenster Ausführung, Spezialmatratzen oder metallische Decken verkaufen, mit denen die vermeintlichen Erdstrahlen geblockt werden könnten. "Abgeschirmt wird damit natürlich gar nichts. Erdstrahlen gibt es nicht, und elektromagnetische Strahlung kann man damit auch nicht abfangen", so der Skeptiker.  

Auch Schwarzl bestätigt, dass man die Strahlen nicht blocken kann: "Alle namhaften Verbände in Europa sind sich einig, dass das Abschirmen überhaupt nichts bringt - es birgt sogar zusätzliches Gefahrenpotenzial. Seriöse Rutengeher hingegen weisen lediglich aus, suchen einen guten Platz zum Schlafen." Schwarze Schafe, die mit der Not der Menschen das große Geld machen, gebe es laut Schwarzl aber sicherlich sehr viele.

Frage der Übung

"Sehr bedenklich ist die Behauptung, dass Erdstrahlen krank machen oder gar Krebs verursachen, weil das den Leuten unnötig Angst und bereits Erkrankten falsche Hoffnungen macht", so Berger. Auch die Methode, mit einem Pendel oder einer Einhandrute über den Körper zu fahren, um Krankheitsherde zu finden, sei völlig unseriös.  

Schwarzl entgegnet, dass es überall Kritiker gäbe, das aber meistens Leute seien, die das Rutengehen noch nie selbst ausprobiert haben: "Es geht darum, zu fühlen, was sich unter meinen Füßen abspielt. Ob das jetzt mithilfe einer Wünschelrute, einem Pendel, einem Tensor oder dem Körper allein passiert, ist nebensächlich."  

Das Wünschelrutengehen kann in Kursen von Radiästhesie-Organisationen oder aus Büchern erlernt werden. Eine technische oder medizinische Vorbildung ist nicht erforderlich, heißt es. Laut Schwarzl kann es jeder lernen - es sei nur eine Frage der Übung.

Offizielle Aufträge

Immer wieder werden Rutengeher auch von öffentlicher Stelle beauftragt. Bis 2007 etwa hat die ASFINAG Wünschelruten eingesetzt, um auf Österreichs Autobahnen nach Störzonen zu suchen. Und am Europäischen Zentrum für Umweltmedizin in St. Pölten gibt es nach wie vor den Forschungsschwerpunkt "Radiästhesie", der mit öffentlichen Geldern des Landes Niederösterreich finanziert wird.   

Wie viele Rutengeher es in Österreich gibt, ist schwer zu sagen. Im Österreichischen Verband für Radiästhesie und Geobiologie gibt es rund 600 Mitglieder, die Zahl der Wünschelrutengeher in Österreich schätzt Präsidentin Schwarzl aber auf mindestens das Zehnfache: "Ich bin am Land aufgewachsen und weiß: Dort gibt es überall Wünschelrutengeher. Die sind aber nicht alle in Verbänden organisiert - dort wächst man damit auf, das ist ganz normal." (Florian Bayer, derStandard.at, 10.5.2013)