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Warum den Muttertag nicht zu einem politischen Aktionstag machen, ihn feministisch umdeuten und die Verantwortlichen mit Forderungen beschenken?, fragt Petra Unger.

Foto: APA/Patrick Pleul

Muttertag. Alljährlich wiederkehrende, verlogene Dankbarkeitsinszenierungen zugunsten des Blumenhandels und der Gastronomie. Oder "Inszeniertes Betäubungsmittel" (Edith Ertl-Hofinger) für individuelle und gesellschaftliche Zumutungen durch Mutterschaft?

Wohin und wie mit dem Muttertag? Im Folgenden der Versuch einer feministischen Antwort.

Mutterschaft  – ständiges Schwanken zwischen Macht und Ohnmacht. Nie sind wir so mächtig und ohnmächtig zugleich wie in der Mutterrolle. Aus eigener Kraft ein neues Menschenleben hervorbringen, kann ein erhebendes Gefühl von Macht bis hin zu Göttlichkeit sein. Meist ist es jedoch das profane Gefühl der Überraschung, der Verwirrung, des Staunens, der Schmerzen und der Freude (Hormone sei Dank!) und vom ersten Moment an streiten sich Macht und Ohnmacht als zwei Herzen in der mütterlichen Brust.

Allmacht und Selbstverzicht

Wie mächtig fühlt es sich an, wenn nur die Mutter den schreienden Säugling, das weinende Kleinkind beruhigen kann, wenn das Kind nur nach ihr verlangt. Wie ohnmächtig, wenn die Mutter gerne hätte, dass der Vater das Trösten, Füttern, Wickeln, Schlafen-legen oder was auch immer übernehmen soll. Wenn Selbstverzicht oft die einzige Möglichkeit ist, das Kind gut versorgt zu wissen – nicht aus Freude an der Allmacht, sondern aus Notwendigkeit, weil das Kind darauf besteht oder Mann hartnäckig im Nicht-Tun verharrt und Geld verdienen vorschiebend die Wohnung in Richtung Karriere verlässt.

Wie mächtig die Mutter, wenn sie sich durchsetzt – mit ihren Vorstellungen von Erziehung und Ernährung, ihren Maßregelungen, ihrer Schulwahl für die Kinder. Wie ohnmächtig, wenn sie hört, dass alles falsch war, sie Schuld an jeder Emotion, jeder Charaktereigenschaft, jeder (Geschlechter-) Rolle ihres Kindes, jeder Berufs- und PartnerInnenwahl oder der Lebens(un)tüchtigkeit ihrer Sprösslinge hat.

Wie mächtig, wenn sie wortgewaltig dem Kind die Welt erklärt oder gewaltig zuschlägt (ja auch das gibt es immer noch und immer wieder), wenn sie mit Liebesentzug oder Zuckerlverbot straft. Wie ohnmächtig, wenn das geliebte Kind nicht aufhört zu toben, zu fordern, zu weinen, zu lachen, zu fragen, zu hüpfen, zu spielen, zu malen oder später dann auszugehen, Drogen zu konsumieren, zu lange zu schlafen, keine Ausbildung oder keinen Beruf zu finden und wieder mal Geld zu brauchen.

Wie mächtig fühlt sich Muttersein an, wenn die Kinder stolz die Mama vorstellen, wie ohnmächtig, wenn sie ihnen mal wieder peinlich ist. Wie mächtig, wenn sie den Kindern schlechtes Gewissen machen, weil sie nicht aufräumen, nicht vorbei kommen, den Geburtstag vergessen haben. Wie ohnmächtig, wenn sie doch wieder selbst aufräumen, sinnlos wartet und sich frägt, wozu sie eigentlich geboren hat.

Ohne Mütter geht gar nichts

An den Müttern hängt das Überleben der Nation, des Sozialsystems, der Wirtschaft  - wie mächtig! Wie ohnmächtig, wenn sie, weil sie Mütter sind, keinen Vollzeit-Job annehmen können, vom Arbeitsmarkt verdrängt werden, an der Armutsgrenze leben, spätestens in der Pension. Wenn sie keinen leistbaren Kindergartenplatz finden oder abgehetzt nach versuchten Spagat zwischen Kind und Karriere noch im Elternabend sitzen, mit den Kindern lernen, Defizite des Schulsystems ausgleichen oder Animateurin, Entertainerin, Coach und Supervisorin sind, um die Kinder für ein neoliberales Gesellschafts- und Wirtschafssystem fit zu machen. Im Versuch sie (über-)lebensfähig und zugleich glücksfähig werden zu lassen, am besten selbstbestimmt glücklich, zwischen Widerstand und Anpassung - ein weiterer Spagat für die denkende, engagierte Mutter.

Wie mächtig ist sie, wenn sie dank der Frauenbewegung, die alleinige Obsorge erhalten, Alimente und Unterhalt einklagen kann. Wie ohnmächtig, wenn Maskulisten gegen sie mobilisieren, ihre Arbeit diffamieren, wenn sie von ihrem gewalttätigen Mann geschlagen wird oder der Ex-Mann einfach die Zahlungen einstellt.

Wie mächtig, sich selbst und den Selbstverzicht einer engagiert betriebenen Mutterschaft (und das tun die meisten) zu überhöhen. Und wie gerne geben wir unsere Macht auf, wenn die Kinder sich zu uns kuscheln, uns umarmen, uns trotz allem und nach allem vielleicht doch lieben und mit uns etwas zu tun haben wollen.

Belohnung für all den Stress

Wollen wir da nicht mal ordentlich belohnt, zumindest symbolisch bedankt werden? Besser als nichts?! Sind wir dann nicht doch gerührt, wenn die Kleinen ihre Geschenke überreichen und die Großen wider Erwarten Blumen schenken?

Rufen wir dann nicht doch die eigene Mutter an? Gehen wir dann nicht doch zumindest mit ihr ein Glas heben? Vielleicht betrinken wir uns ja auch jammernd, lachend, politisch ärgernd gemeinsam mit anderen Nicht-Muttertags-Müttern (die bei weitem die beste Form den Tag hinter sich zu bringen).

Muttertag ist wie Weihnachten. Niemand hält etwas davon, alle machen mit, wenn auch nur im letzten Moment, halbherzig mit schlechtem Gewissen gepaart mit schlechter Laune oder guter Miene zum üblen Spiel. Und wie ist es mit jenen, die wie Anna Jarvis (1864-1948), die „Erfinderin des Muttertages" ihre Mutter wirklich geliebt hat (ja auch das gibt es), sie erinnern, ehren und bedanken wollen? Was ist mit jenen, die ihre Mutter regelmäßig treffen, sich gerne mit ihr austauschen, sie gerne beschenken - auch zum Muttertag – warum nicht auch dann und deshalb?

Was wäre nun die emanzipatorisch-feministische Alternative? Den Muttertag abschaffen, boykottieren, anders zelebrieren, politisch zerpflücken? Stattdessen den "Tag der Abschaffung patriarchaler Mutterideologien" ausrufen? Oder die Rechte der Frauen auf selbstbestimmte Mutterschaft, Nicht-Mutterschaft, queere Mutterschaft oder Patchwork- und Alleinerzieherinnen-Mutterschaft einfordern? Den Muttertag mit dem Frauentag zusammenlegen, wie schon einmal angedacht von den österreichischen Sozialdemokratinnen? Blumen schenken am Internationalen Frauentag oder politisch fordern am Blumen überfüllten Muttertag?

Politisierung durch Mutterschaft

Es bleibt ambivalent und vielschichtig. Mutterschaft kann die einzelne Frau politisieren und ist unabhängig von der Einzelnen in jedem Fall politisch. Muttertag könnte beides sein: emotional und politisch. Eine kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Emotionen, mit der eigenen Macht und Ohnmacht als Mutter und Nicht-Mutter, als lesbische oder heterosexuelle Mutter, als weiße und nicht-weiße, als politische und unpolitische Mutter, als Mutter eines behinderten Kindes, als Mutter verstorbener oder in Kriegen dahingemetzelter Kinder, als geschlagene oder unversehrt gebliebene Mutter, als junge oder alte Mutter und nicht zuletzt als Tochter einer Mutter.

Warum also nicht alles das politisieren, zum politischen Thema im Privaten und Öffentlichen machen, wie zuletzt umgesetzt von den Aktivistinnen der Plattform 20.000 Frauen im Jahr 2011: Symbolisch wurde Muttertagskitsch in jene Ecke gestellt, in die er gehört. Spielerisch wurde mit Mama-Monopoly die Auswirkungen von Frau- und Muttersein veranschaulicht ("Du wirst ein Kind bekommen, gehe in die Teilzeitecke! Du bist an die gläserne Decke gestoßen, gehe zurück an den Start!") und es wurde gefordert: "Statt Kommerz und Ideologisierung von Mutter-Sein, eine offene Diskussion über Strukturen und Bedingungen aktueller Versorgungs-, Erziehungs- und Betreuungsarbeit, die Frauen leisten!"

Warum also nicht den Muttertag zu einem politischen Aktionstag machen, ihn feministisch umdeuten und die Verantwortlichen mit Forderungen beschenken?! Warum also nicht neue, emanzipiert-reflektierte Väter fordern und die Wenigen dieser Sorte miteinbinden?

Warum also nicht zwei statt einem feministisch-politischen Kampftag im Jahr haben?

Und warum eigentlich nicht einander beschenken? Mit Diskussionen, lustvoller politischer Öffentlichkeits- und Bewusstseinsarbeit, Blumen, Sekt und gutem Essen? Für ausgestandene Kämpfe für und gegen die Kinder, für und gegen Väter und mit der eigenen Ambivalenz! Ganz im Sinne von: Der Muttertag ist tot - es lebe der feministische Muttertag! (Petra Unger, Gastkommentar, dieStandard.at, 11.5.2013)