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Die Politologin Ayesha Siddiqa rechnet mit einer schwachen Koalitionsregierung.

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STANDARD: Die Wahlen werden schon jetzt als Sieg der Demokratie bejubelt, weil es erstmals einen regulären demokratischen Wechsel gibt, ohne dass das Militär eingriff. Ist die Euphorie begründet?

Siddiqa: Ich teile die Euphorie nicht. Ich sehe keine dramatische Verschiebung in den Machtverhältnissen. Die Wahlen sind ein wichtiger, aber sehr kleiner Schritt in Richtung mehr Demokratie in Pakistan.

STANDARD: Einige westliche Analytiker denken, dass die Macht des Militärs deutlich geschrumpft ist, weil die Wahlen ihren Gang gehen.

Siddiqa: Viele im Westen sind schon begeistert, wenn es keine direkte Machtübernahme durch das Militär gibt, weil sie wenig Ahnung von Pakistan haben. Pakistans Militärs agieren nicht wie Militärdiktaturen in Lateinamerika oder Afrika. Gewöhnlich ziehen sie es vor, für zehn, elf Jahre im Hintergrund zu bleiben und durch Partner zu regieren. Das ist die sichere Option. Das Militär kontrolliert ohnehin die Sicherheits-, Verteidigungs- und Außenpolitik. Warum sollte es sich da mit einer offenen Machtübernahme selbst belasten?

STANDARD: Sie glauben also nicht, dass die Tage der Militärcoups gezählt sind?

Siddiqa: Nein, überhaupt nicht. Ein Militärcoup kann wieder passieren. Wenn ihre Interessen bedroht sind, könnten die Militärs wieder die Macht übernehmen. Sie werden keiner zivilen Regierung erlauben, ihnen dazwischenzufunken.

STANDARD: Nehmen die Generäle Einfluss auf die Wahlen?

Siddiqa: Sie ziehen hinter den Kulissen die Fäden. Sie halten sich Optionen offen. Ihre erste Wahl scheint wohl die PTI von Imran Khan zu sein. Sie misstrauen der bisherigen Regierungspartei PPP, seit diese versuchte, ihre Macht zu beschneiden. Aber am Ende hat auch die PPP gespurt, zwar nicht für das Volk, aber für das Militär. Auch mit der PML-N von Nawaz Sharif können die Generäle leben.

STANDARD: Könnte Kricket-Legende Imran Khan den Sieg holen?

Siddiqa: Nicht bei diesen Wahlen. Aber vielleicht bei den nächsten, die jederzeit kommen können. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass wir eine schwache Koalitionsregierung bekommen, möglicherweise sogar ein blockiertes Parlament.

STANDARD: Die Wahlen sind von beispielloser Gewalt überschattet. Die Taliban nehmen vor allem die eher "moderaten" Parteien PPP, MQM und ANP ins Visier. Kann man diese Wahlen überhaupt frei und fair nennen?

Siddiqa: Das ist zweifelhaft und fraglich. Wir hatten niemals vollkommen freie und faire Wahlen in Pakistan. Aber die jüngste, sehr gezielte Art von Gewalt gegen diese drei Parteien kann die Wahlbeteiligung beeinflussen. Wähler in den Hochburgen dieser Parteien werden Angst haben, ihre Stimme abzugeben. (Christine Möllhoff, DER STANDARD, 11./12.5.2013)