Retuschiertes Artwork zu "Wolfenstein: The New Order"

 

Foto: Zenimax

Vergangenen Dienstag wurde zwei Jahrzehnte nach dem Original und einige mehr oder weniger gute Abkömmlinge später die Einzelspieler-Dystopie "Wolfenstein: The New Order" vorgestellt. Während sich die Fanbasis des satirischen Nazi-Shooters über erste Eindrücke und Details freute, sorgte die Ankündigung bei vielen Journalisten für Augenrollen. Das hatte weniger mit der Enthüllung von Roboternazis im "Dritten Reich" der 1960er-Jahre zu tun, als mit der Art und Weise, wie die Fortsetzung des Klassikers ihren Weg in die Presse fand und damit, was gezeigt werden durfte und was in unseren Breitengraden verborgen gehalten werden muss.

Zeitversetzte Ankündigung

Die Herausgeber von Zenimax entschieden sich dazu, wie es in der Branche Gang und Gebe ist, ihr neues Werk gestaffelt in Form von Medien-exklusiven Vorschauen zu enthüllen. Wie gesagt, ist dies nicht unüblich. Rockstar stellte etwa "Grand Theft Auto 5" erstmals und exklusiv über das weltweit auflagenstärkste Videospielmagazin GameInformer vor - ebenso wie Eidos Montreal das neue "Thief" über das Magazin präsentierte. Es sind Mediendeals, die in allen Sparten stattfinden und ihre Daseinsberechtigung haben. Der Verleger profitiert von einer spannenden Geschichte und der Spielhersteller von einer kontrollierten Berichterstattung. 

Das Interessante an der Enthüllung von "Wolfenstein: The New Order" war, dass Zenimax gleich mehrere Medien in unterschiedlichen Ländern bevorzugte und durch zeitversetzte Embargos für die jeweilige Berichterstattung das System etwas ad absurdum führte.

Exklusivität ad absurdum

So präsentierte am Dienstagnachmittag mitteleuropäischer Zeit die US-Seite Gamespot das Spiel als erstes, worauf sich die News innerhalb von Stunden um den Erdball verbreitete. Kurz darauf war die Ankündigung des neuen "Wolfensteins" tausende Kilometer weiter so auch auf dem GameStandard zu lesen. Am nächsten Tag erst, also am Mittwoch um ca. 13:00 Uhr, verschickte Zenimax Deutschland erst die Pressemitteilung, wonach "gestern" das neue "Wolfenstein: The New Order" angekündigt wurde - ohne jegliche Informationen zum Spiel hinzuzufügen. Um 15:30 Uhr folgte schließlich eine zweite Pressemitteilung mit dem Hinweis, dass ab heute Mittwoch weitere Spielinformationen über die deutschen Seiten GameStar und GamePro veröffentlicht werden. Gleichzeitig wurde ein Link zu einem 400 MB großen Paket mit Pressematerialien zum Game mitgeschickt.

24 Stunden nachdem die Öffentlichkeit also von "Wolfenstein: The New Order" erfahren und die ersten inhaltlichen Fakten und den ersten Trailer sowie einige Bilder gesehen hatte, erschien erst die offizielle Pressemitteilung für den deutschsprachigen Markt. Und dies in Zeiten des Internets und der sozialen Medien, in denen sich Nachrichten wie Lauffeuer verbreiten. Selbst als Außenstehender kann man sich vielleicht vorstellen, wie "hilfreich" eine um 24 Stunden verspätete Pressemitteilung ist, die noch dazu auf dritte Quellen verweist.

Verbotene Bilder

Der spannendste Teil Zenimax Deutschlands Aussendung war allerdings nicht der fragwürdige Versandzeitpunkt, sondern ein Hinweis für die Pressevertreter, dass das am Dienstag veröffentlichte Bildmaterial für die internationalen Medien mit Vorsicht zu genießen ist.    

"Wir möchten in Ihrem eigenen Interesse darauf hinweisen, dass wir große Anstrengungen unternommen haben, um Marketing- und PR-Materialien zu 'Wolfenstein: The New Order' für die Presse in Deutschland, Österreich und der Schweiz gemäß den in Deutschland geltenden rechtlichen Beschränkungen für die Verwendung von Bildern und anderen Inhalten mit Bezug zum Nationalsozialismus und Neo-Nazi-Organisationen anbieten zu können", heißt es in der Aussendung. "Gerne benachrichtigen wir Sie erneut, sobald diese Assets auf unserem Presseserver zur Verfügung stehen."

Strafrechtliche Sanktionen

Zenimax weist in weiterer Folge darauf hin, dass die "Marketing- und PR-Materialien, die der Presse außerhalb dieser Länder zur Verfügung gestellt werden oder wurden", nicht von der Presse in Deutschland, Österreich und der Schweiz verwendet werden dürfen.

"Bitte beachten Sie, dass eine Verwendung von internationalem Material in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit strafrechtlichen Sanktionen durch die Behörden belegt werden kann. Zenimax Germany und damit verbundene Unternehmen übernehmen ausdrücklich keine Verantwortung für die Verwendung von internationalen Assets hierzulande."

Regeln in einer Welt ohne Grenzen

Dass sich Zenimax Deutschland aufgrund von Bildern mit Nazi-Symbolik absichern möchte, ist absolut verständlich. Doch stellt sich die Frage, wie effektiv diese Maßnahme sein kann, wenn die besagten Pressematerialien bereits seit einem Tag im Umlauf sind und in der Zwischenzeit von jedem Internetnutzer in Österreich, Deutschland und der Schweiz betrachtet werden konnten. Wer wie die meisten Fans am Dienstag von der Ankündigung des Spiels erfuhr, konnte sich, lange bevor das angepasste Material von Zenimax Deutschland und den ausgewählten deutschen Medien herausgegeben wurde, ein unzensuriertes Bild vom neuen "Wolfenstein" machen.

Die Art und Weise, wie Zenimax die Herausgabe der Informationen handhabte, ließ so nicht nur die lokalen Mediengesetze ins Leere fahren, sondern wirft auch kein gutes Licht auf die verantwortlichen PR-Strategen des Konzerns.

Ist einfacher, besser?

Unter dem Strich stellt sich die berechtigte Frage, ob Zenimax nicht besser damit beraten gewesen wäre, die ersten Informationen zu "Wolfenstein: The New Order" auf konventionelle Weise zu veröffentlichen. Hätte es zeitgleich für alle Medien und alle Länder angepasste Pressemitteilungen zum Spiel gegeben, hätten nicht nur mehr Nachrichtenseiten die Ankündigung übernommen, sondern von Anfang an auch die richtigen Materialien verbreitet und damit schlussendlich mehr Konsumenten über das neue Spiel informiert. Ein Gedanke, den nicht nur Zenimax, sondern auch alle anderen Branchenvertreter berücksichtigen sollten, wenn es um die Ankündigung von neuen Werken geht. Wir leben zwar auch 2013 in unterschiedlichen Ländern, zumindest im Internet bewegen wir uns aber alle in einer Welt. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 11.5.2013)

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