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Wann ein Kreuz zu hängen hat, ist gesetzlich geregelt. Nicht aber, wann die Kreuze entfernt werden müssen.

Foto: APA/dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Weil die Mehrheit der Kinder an einer Wiener Schule nicht christlichen Glaubens ist, wurden die Kreuze in allen Klassenzimmern abgehängt. Diese Nachricht sorgte vergangene Woche für viel Aufregung. Die Mutter, die die Entscheidung bewirkte, gab an, sich religiös bevormundet gefühlt zu haben. Im Gespräch mit derStandard.at sagte sie: "Die Kinder kommen zum Lernen in die Schule, nicht um den Glauben zu praktizieren."

Der Name der Mutter ist der Redaktion bekannt, zum Schutz ihres Kindes will sie aber anonym bleiben. Wie heikel die Sache ist, zeigen die Reaktionen der politisch Verantwortlichen. "Wir nehmen das zur Kenntnis, beteiligen uns aber nicht an Spekulationen", heißt es aus dem Büro des Wiener Bildungsstadtrats Christian Oxonitsch (SPÖ). Der Schulleiter entscheide, die Stadt Wien müsse das nicht abnicken. "Wir sind zuständig für die Infrastruktur der Schulen."

Auch aus dem Wiener Stadtschulrat gibt es vorerst keine genaueren Informationen. Weder der Name der Mutter noch der Name der Schule seien dem Stadtschulrat bekannt, sagt ein Sprecher.

Schulinspektor bestätigt Entfernung von Kreuzen

Schulinspektor Walter Gusterer bestätigt im Gespräch mit derStandard.at, dass er Kontakt mit einem Schulleiter hatte, der sich wegen der Beseitigung der Kreuze an ihn wandte. "Der Direktor hat richtig gehandelt und hat sich vorher mit mir beraten, was zu tun ist." Auch der Elternverein sei in die Entscheidung einbezogen worden. "Die Kreuze sind an dieser Schule definitiv abgehängt", so Gusterer, der aber nicht bestätigen will, dass es sich um jene Schule handelt, die derzeit in den Medien kursiert.

Auch darüber, was die Entscheidung für andere Schulen bedeutet, wagt Gusterer keine Interpretation. Geregelt ist die Anbringung von Kreuzen im Wiener Schulgesetz: "In den allgemein bildenden Pflichtschulen, an denen die Mehrzahl der Schüler einem christlichen Religionsbekenntnis angehört, ist in allen Klassenräumen ein Kreuz anzubringen", heißt es dort in Paragraf 42 Absatz 7.

Expertin fordert Neuregelung

Bedeutet das im Umkehrschluss, dass alle Kreuze entfernt werden müssen, wenn die Mehrzahl der Kinder nicht christlichen Glaubens ist? Grundsätzlich sei das Anbringen eines Kreuzes in der Schule kein Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, auch ein Kreuz in einem österreichischen Kindergarten ist laut Verfassungsgerichtshof verfassungskonform, sagt die die Juristin Brigitte Schinkele vom Institut für Rechtsphilosophie, Religions- und Kulturrecht der Universität Wien. "Die Verpflichtung, Kreuze in den Schulen aufzuhängen, bedeutet nicht automatisch die Verpflichtung, sie abzunehmen, wenn die Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind", urteilt die Expertin.

Sie fügt jedoch hinzu: "Für den Fall, dass die Mehrheit der Schüler keinem christlichen Glaubensbekenntnis angehört und Eltern oder bereits religionsmündige Jugendliche daran Anstoß finden, würde ich meinen, dass viel dafür spricht, dass die Kreuze abgehängt werden sollten." Schinkele hält die aktuelle Regelung für verbesserungsbedürftig. Sie empfiehlt eine Öffnungsklausel, die einzelfallorientierte Lösungen ermöglicht.

Auch der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk sieht keine klare juristische Lösung in der Causa. Das Gesetz lasse die Frage offen, was passieren muss, wenn weniger als die Hälfte der Kinder einen christlichen Glauben haben. Es gebe keine Auskunft darüber, wie dann gehandelt werden soll. "Das ist ein Mangel des Gesetzes, weil diese doch sehr wichtige Fragestellung nicht beantwortet wird." Funk vermutet auch eine gewisse Absicht, dass man es vermieden hat, diese Regelung "in die letzte Konsequenz hinein" auszuformulieren.

Keine Datenschutz-Bedenken

Die Ausrede des Datenschutzes lässt Funk nicht gelten. Schulen können seiner Meinung nach nicht verweigern, Daten über die Religionszugehörigkeit der Kinder weiterzugeben. "Wenn es darum geht, über eine Statistik der gesamten Schule informiert zu werden, sehe ich gar keine Hemmnisse des Datenschutzes." Diese Information deshalb zu verweigern wäre eine Ausrede, weil es um keine personenbezogenen Daten gehe.

Das Erzbischöfliche Amt für Unterricht und Erziehung sagt zu derStandard.at, dass das Abnahmen der Kreuze ausschließlich aus Rücksichtnahme auf ein einziges Kind, das kein Religionsbekenntnis habe, nicht gerade von demokratiepolitischer Sensibilität gekennzeichnet sei. "Die Trennung von Staat und Kirche bedeutet nicht, dass Religion keinen Platz im öffentlichen Raum haben darf." Religiöse Symbole als solche müssen laut Erzdiözese gerade in einer multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft ihren Platz im öffentlichen Raum haben. (Rainer Schüller/Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 13.5.2013)