Herman Van Rompuy, José Manuel Barroso und Martin Schulz machen als Pappfiguren Werbung für die EU.

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Bürgermeisterkandidat Mateš macht Wahlwerbung mit WC.

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Der amtierende Zagreber Stadtchef Milan Bandić.

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Die EU-Flagge ist rot durchgestrichen. Daneben ist ein Abbild einer Freimaurer-Pyramide zu sehen, ebenfalls rot durchgestrichen. "Kriminelle in Ketten“, fordert einer der Zagreber Kandidaten für das Bürgermeister-Amt. Wenn man in diesen Tagen durch die kroatische Hauptstadt spaziert, möchte man meinen, dass es hier nur so von Gaunern wimmelt, die man am 19. Mai bei den Lokalwahlen per Wahlzettel bestrafen sollte. Der EU-Beitritt wird aber - außer von ein paar Verschwörungstheoretikern - nicht infrage gestellt. Er ist für die meisten Kroaten ohnehin eine Selbstverständlichkeit.

Auf dem Blumenmarkt in einem großen halbkugeligen blauen Plastikzelt versuchen ein paar schwitzende Studenten zu erklären, was es konkret bedeutet, EU-Bürger zu werden. Geworben wird per Zeichentrick-Filmchen mit billigeren Telefontarifen, mehr Umwelt- und Konsumentenschutz und freien Arbeitsmärkten. Auch lebensgroße Pappfiguren der EU-Politiker Herman Van Rompuy, José Manuel Barroso und Martin Schulz stehen in dem EU-Zelt, die Nobelpreis-Urkunde in den Händen haltend. "Die meisten Leute wollen wissen, ob sie im Ausland arbeiten oder studieren können und ob ihr Identitätsausweis und ihr Führerschein jetzt noch gültig sind“, erzählt Mirela, eine der Studenten. Bisher hat sich noch kein EU-Land deklariert, ob die Kroaten nach dem 1. Juli auch die Arbeitnehmerfreizügigkeit genießen werden können.

Arbeitnehmerrechte

Dem Vernehmen nach könnten aber Finnland, Schweden und vielleicht Portugal für die Kroaten die Tore öffnen. Österreich wird die kommenden zwei Jahre noch nicht den freien Zugang zu den Arbeitsmärkten gewähren. Mirela und ihre Kollegen hoffen, dass sich zumindest die Arbeitnehmerrechte im Zuge des EU-Beitritts verbessern werden. In Kroatien werden oftmals keine Überstunden oder Sonntagsdienste bezahlt, unter anderem nicht von internationalen Konzernen. Mirela wird bei den Kommunalwahlen für die Partei „Für die Stadt“ stimmen, die sich für billige Öffi-Tarife einsetzt und Sozialmärkte veranstaltet, bei denen Bürger Sachen, die sie nicht mehr brauchen gegen andere eintauschen können. Und der Bürgermeister? "Der war nicht hier im EU-Zelt, der schaut, dass er sich öffentlichkeitswirksam in Szene setzt, am besten irgendwo im Schlamm herumspringt.“

"Volks-WC“

Antun Mateš möchte auch gerne Bürgermeister werden. Deshalb hat er an der linken Seite seines Informationsstands auf dem Zagreber Hauptplatz eine Toilette stehen. Mit dem "Volks-WC“ sollen korrupte Politiker hinuntergespült werden. Und korrupt sind nach Meinung von Mateš ohnehin alle. Auf der anderen Seite des Info-Stands ist eine Kopie eines Gemäldes des niederländischen Malers Gerard David zu sehen, darauf der bestechliche Richter Sisamnes, dem gerade die Haut abgezogen wird. Mateš, der selbst ein Maler ist, appelliert an das Gefühl vieler Kroaten: Sie sind von der Politik enttäuscht und glauben, dass sie ihren Volksvertretern nicht vertrauen können. Weil er aber wirklich Bürgermeister werden möchte, zeigt er nicht nur bedrohliche Bilder, sondern verteilt auch zerquetschte heiße Würsteln.

Beim nächsten Standl stehen ein paar Sozialdemokraten (SDP), die für ihren Kandidaten Rajko Ostojić, den Gesundheitsminister, Werbung machen. Sie haben allerdings keine Würstel, sondern nur Zetteln und räumen ihm Gespräch ein, dass die Kroaten bei den Lokalwahlen wohl die linke Regierung abstrafen werden. Die SDP hat mitten im Wahlkampf denn auch noch schnell ihren Kandidaten ausgetauscht, nachdem der Chef der Zagreber SDP, Davor Bernardić zu schlechte Umfragewerte hatte. "Zagreb ist zerstört, die Korruption ist überall. Wenn du nicht den Bürgermeister kennst, bekommst Du hier keinen Job“, sagt die SDP-Wahlhelferin Sara Medved. Beschwerden über Korruption gehören zum guten Ton in Zagreb.

 "Weil wir hier auf dem Balkan sind.“

Ein paar Jugendliche stürmen den in Blau gehaltenen Info-Stand der konservativen HDZ, gleich gegenüber. Zettel wehen vom Tisch. Trotz Butter-Keksen hat der Wahlhelfer von der HDZ ein Problem: Seine Kandidatin Margareta Mađerić kennt hier kaum jemand. Er gibt zu, dass sie nicht so berühmt ist wie der seit 2000 amtierende Stadtchef Milan Bandić, über den sich zwar alle aufregen, aber der den Umfragen zufolge wieder gewinnen wird. Die Wahlbeteiligung werde niedrig sein, prophezeit der HDZ-Wahlhelfer. Weshalb? "Weil die Leute von den Politikern enttäuscht sind.“ Weshalb? "Weil wir hier auf dem Balkan sind.“

Auf dem Ban Jelačić Platz stehen heute viele Info-Stände, weil die Schüler von Zagreb ihre Gymnasien und Berufsschulen vorstellen. Nur der Bürgermeister selbst braucht keinen Informationsstand, weil ihn erstens ohnehin alle kennen und weil ihm die große Bühne am Ende des Platzes zur Verfügung steht. Der bärtige, kleine Mann mit der Reibeisenstimme tritt auf, die Jugendlichen laufen heran. Die 16-Jährigen dürfen ihn zwar noch nicht wählen, aber offenbar will Bandić auch im Jahr 2017 nochmals Bürgermeister werden. "Heute seid ihr noch die kroatische Jugend und morgen bereits die europäische Jugend“, sagt er feierlich. Obwohl sich also mit dem EU-Beitritt einiges ändern wird, wird in Zagreb wohl das meiste beim alten bleiben. (Adelheid Wölfl, derStandard.at, 13.5.2013)