ModeratorIn: Lieber Herr Zahler-Treiber, danke, dass Sie zu uns gekommen sind. Das Timing ist ja perfekt. Frau Ministerin Fekter hat ja heute quasi den Weg für Verhandlungen frei gemacht. Liebe UserInnen, wir freuen uns auf eine anregende Diskussion.

Gerhard Zahler-Treiber: Schönen guten Tag. Ich freue mich auf eine interessante Diskussion.

UserInnenfrage per Mail: Finanzministerin Maria Fekter hat ihre Zustimmung für ein Mandat an die EU-Kommission zu Verhandlungen mit Drittstaaten über die Ausweitung der Zinsbesteuerungsrichtlinie angekündigt. Auf welcher Ebene wird jetzt verhandelt?

Gerhard Zahler-Treiber: Nun wird dann auf EU Ebene mit den Drittstaaten über ein Abkommen verhandelt. Es wird aber nicht nur um die Zinsbesteuerung, sondern auch um die Besteuerung von anderem Kapitaleinkommen gehen.

a_waunsinniga: Ist Ihrer Meinung nach, der Begriff "Steueroase" für Österreich eigentlich zutreffend? Sollte es nicht eher "Anonymitätsoase" heißen?

Gerhard Zahler-Treiber: Der Begriff Steueroase ist für Österreich sicherlich übertrieben, aber der Begriff "Verdunkelungsoase" ist bis jetzt zutreffend.

UserInnenfrage per Mail: Österreich will laut Maria Fekter seine bilateralen Verträge mit der Schweiz und Liechtenstein beibehalten und damit auch die Quellenbesteuerung. Ist das rechtlich denkbar?

Gerhard Zahler-Treiber: Das ist eine sehr schwierige Frage, die sicherlich viele Rechtsexperten beschäftigen wird. Wir von ATTAC halten es für nicht sinnvoll diese Abkommen beizubehalten zu diesem Zeitpunkt wo es Verhandlungen mit den Drittstaaten gibt. Diese Abkommen beinhalten Vorteile für Steuerflüchtlinge.

UserInnenfrage per Mail: Wenn das Bankgeheimnis fällt: Ist es realistisch, dass Österreich an einem qualifizierten Bankgeheimnis für Inländer festhalten wird können?

Gerhard Zahler-Treiber: Also wir von ATTAC denken eher nicht und sind auch dafür, das Bankgeheimnis für Inländer abzuschaffen, da erstens die Privatsphäre durch den Datenschutz zu gewährleisten ist und zweitens ohne Bankgeheimnis eine gerechtere Besteuerung in Österreich möglich wäre. Stichwort: Kapitalbesteuerung.

a_waunsinniga: Ist die Anonymität von Bankkonten nicht eigentlich ein Grundrecht, das jedem Menschen zustehen sollte? Wieviel Geld ich unter dem Kopfpolster habe interessiert ja auch niemanden?

Gerhard Zahler-Treiber: Ein Grundrecht ist der Schutz der Privatsphäre und das Geld unter dem Kopfpolster, wenn es sich um Schwarzgeld handelt, ist genauso interessant für die Steuerbehörden.

UserInnenfrage per Mail: Hat Österreich mit seiner Blockade, die ja jetzt offensichtlich aufgegeben wird, eigentlich nicht EU-Recht? Stichwort unlauterer Wettbewerb?

Gerhard Zahler-Treiber: Moralisch ja, aber rechtlich wohl nicht, da auf europäischer Ebene die einzelnen Staaten noch immer das Hoheitsrecht haben. Österreich hat damit aber sicherlich eine frühere Lösung für die Problematik verhindert und nicht solidarisch gegenüber den anderen europäischen Ländern gehandelt.

Werner69: Wie viele Einlagen der Ausländer werden wir verlieren. Welchen Schaden wird die Östereichische Wirtschaft dabei erleiden wenn diese Einlagen und damit teilweise auch die Eigentümer das Land verlassen. Wer wird profitieren. GB? Siehe Beispiel Frankre

Gerhard Zahler-Treiber: Ein paar Banken im Kleinwalsertal werden vielleicht ihre Geschäftsgrundlage verlieren, aber großer wirtschaftlicher Schaden ist für Österreich nicht zu erwarten. Weil das Kapital, das hereinkommt auf die internationalen Kapitalmärkte fließt und österreichische Unternehmen keine Probleme haben an Kapital zu kommen, jedenfalls nicht auf Grundlage dieser Tatsache. Hier ist die Eurokrise viel ausschlaggebender.

afrikaaner: Führt die Schweit nicht seit Jahren einen Wirtschaftskrieg gegen den Rest Europas und der Welt? Ich meine, alleine die Schwarzgeld Beträge aus Entwicklungsländern sprengen wahrscheinlich die 50 Milliarden Euro Skala. Wäre es nicht sinnvoll die Schwe

Gerhard Zahler-Treiber: Ja es ist richtig, dass besonders die Entwicklungsländer darunter leiden, dass Kapital in Steueroasen verschoben wird. Es fließt wesentlich mehr Geld dadurch ab, als durch Entwicklungshilfe hereinkommt. Es ist notwendig auf die Schweiz und auf andere Steueroasen Druck auszuüben, damit das unterbunden wird.

UserInnenfrage per Mail: Die Besteuerung welcher anderen Kapitaleinkommen meinten Sie vorhin?

Gerhard Zahler-Treiber: Einnahmen aus Dividenden und Kursgewinne.

UserInnenfrage per Mail: Auch wenn Österreich jetzt klein beigibt, bleiben weltweit Steueroasen bestehen. Kann man Österreichs Finanzministerin Maria Fekter vorwerfen, dass sie das Bankgeheimnis erst opfern will, wenn die vielen Zufluchtsstätten geschlossen sind?

Gerhard Zahler-Treiber: Wenn jeder sagt, ich höre nur auf damit, wenn der andere aufhört, kommen wir nicht weiter. Es ist berechtigt auch andere Probleme anzusprechen, wie zum Beispiel Trusts, aber das ist kein Grund, dass Österreich mit dem Bankgeheimnis weitermacht und weiterhin Steuerhinterziehung ermöglicht. Österreich hat jahrelang ein Weiterkommen auf diesem Gebiet auf europäischer Ebene blockiert.

VS.: Sind Steueroasen/Bankgeheimnis nicht nur Teil eines viel größeren Problems: des Standortwettbewerbs, dem sich alle Staaten verschrieben haben? Von dem profitieren ja nur Reiche und Konzerne, weil die besonders mobil sind und deshalb Steuern auf Verm

Gerhard Zahler-Treiber: Dem kann ich mich voll und ganz anschließen. Der Standortwettbewerb ist insbesondere für eine Währungsunion schädlich und er führt dazu, dass die arbeitende Bevölkerung mehr Steuern zahlen muss und Vermögende so wie Konzerne sich zunehmend ihrer Verantwortung entziehen. Wir brauchen mehr Kooperation und weniger Konkurrenz auf europäischer Ebene.

UserInnenfrage per Mail: Das Bankgeheimnis bleibt, sagen Fekter und Spindelegger. Wie geht das mit dem Ja zur Informationsautomatik konform?

Gerhard Zahler-Treiber: Fekter und Spindelegger berufen sich darauf, dass der Informationsaustausch ja nur ausländische Staatsbürger betrifft und daher für Inländer das Bankgeheimnis unverändert bleiben kann. Das muss sicherlich verfassungs- und europarechtlich überprüft werden.

hoqq: Wäre es nicht viel besser, anstatt immer auf die achso bösen Steueroasen einzuprügeln, das eigene Land attraktiver zu gestalten? In der Schweiz spricht man übrigens von der "Hochsteuerpolitik der EU-Länder" und das eigene System betrachtet man als v

Gerhard Zahler-Treiber: Die Schweiz kann sicherlich nicht als Vorbild dienen, ohne den massiven Kapitalfluss, den das Land in den letzten Jahrzehnten durch das Bankgeheimnis angezogen hat, könnte die Schweiz mit ihrer niedrigen Steuerquote sicherlich kein Sozial- und Wohlfahrtssystem finanzieren. Einige EU Staaten sind ja nur Hochsteuerländer für Arbeitseinkommen und nicht für Kapital und Vermögen. Wenn Kapital und Vermögen gerechter besteuert werden, kann man auch die Arbeitseinkommen entlasten. Solange es Orte gibt, die keine oder sehr niedrige Steuern auf Kapitaleinkommen erheben und ermöglichen es vor den Herkunftsbehörden zu verstecken, werden diese von Steuerbetrügern genützt werden.

Est-dragon: Haben Veranlagungs-"Profis" bislang überhaupt in Österreich veranlagt oder sind diese Gelder nicht sowieso immer gleich Richtung offshore gewandert.

Gerhard Zahler-Treiber: Ja, aufgrund von verdeckten Recherchen von Medien weiß man, dass Österreich diesbezüglich genutzt wird. Nicht ohne Grund haben viele prominente Deutsche in Österreich ihre neue Heimat gefunden.

Matbert3000: Das handeln von Frau Fekter erweckt den Eindruck sie wolle Zeitgewinnen um Geldflüsse zu decken. Ist das sowieso unmöglich oder was bringt ihr ein Zeitgewinn bei solchen Verhandlungen?

Gerhard Zahler-Treiber: Wir wollen der Frau Fekter nicht diese Motive unterstellen. Seit Beginn der Diskussion sind die Betroffenen ohnehin vorgewarnt und haben sicherlich schon ihre Maßnahmen getroffen. Wofür Frau Fekter Zeit gewinnen möchte, muss man sie selbst fragen.

Georg Zinggl1: Wie sieht denn der Status der Kanalinseln, Gibraltars und anderer in einem Naheverhältnis zur britischern Krone stehenden Gebiete aus? Hierüber hört man dieser Tage nichts mehr.

Gerhard Zahler-Treiber: Ja das sind Gebiete im Naheverhältnis zur britischen Krone, die seit längerem steuerrechtlich ihre eigenen Wege gehen können. In den letzten Tagen hat man sehr wohl gehört, dass Großbritannien bereit ist hier einzuwirken und den automatischen Informationsaustausch zu ermöglichen. Der politische Druck auf GB muss sicherlich noch stärker werden.

EineSicht: Die Steuern in Europa sind einfach viel zu hoch! Flattax von 10 Prozent und gut ist. Das Argument, dass dann die Sicherheit leiden würde, wegen der stärkeren gesell. Spaltung ist zwar treffend, aber unvermeidbar. Gated Communities, in denen sich die

Gerhard Zahler-Treiber: Wir wollen keine Gesellschaft, wo sich ein Teil hinter Zäunen und Mauern verstecken muss. Von einer niedrigen Flattax profitieren nur die Vermögenden und Gutverdienenden. Ein Prinzip der Steuergerechtigkeit ist nun mal eine Progression in der Steuerbelastung.

MCU: Was ist mit automatischem Datenaustausch genau gemeint?

Gerhard Zahler-Treiber: Damit ist gemeint, dass an ausländische Steuerbehörden automatisch die Informationen über die Kapitaleinkommen ihrer Staatsbürger gemeldet werden. Er ist die effektivste Waffe um Steuerbetrug zu verhindern, im Gegensatz zu bilateralen Abkommen.

UserInnenfrage per Mail: Die Quellensteuer ist doch praktisch. Wie will man so einen Datenfriedhof eigentlich auswerten?

Gerhard Zahler-Treiber: Erstens, eine Quellenbesteuerung verhindert eine progressive Besteuerung von Kapitaleinkommen, für das Sparbuch der Oma gilt der gleiche Steuersatz wie für die Dividendeneinkommen in Millionenhöhe. In das Personal der Steuerbehörden zu investieren, rentiert sich, da ein Steuerbeamter mehr einbringt als er kostet. Die Staaten, die den Informationsaustausch bereits haben, haben gute Erfahrungen gemacht.

Cum hoc ergo propter hoc: Warum, glauben Sie, wird in der Öffentlichkeit eigentlich kaum oder gar nicht debattiert, dass durch das Bankgeheimnis für Inländer dem Fiskus die Möglichkeit entgeht, auch Kapitaleinkommen progressiv zu besteuern - die KESt ist ja eine Flattax - un

Gerhard Zahler-Treiber: Weil es eine starke Lobby gibt, die verhindern will, dass große Kapitaleinkommen höher besteuert werden. Und die Oma mit dem kleinen Sparbuch wird vorgeschoben, um diese Interessen abzusichern.

UserInnenfrage per Mail: Die Regierung will am Bankgeheimnis für Inländer festhalten. Wer gilt denn überhaupt als Inländer, wenn es um das Bankgeheimnis geht? Nur österreichische Staatsbürger oder jeder, der seinen Wohnsitz in Österreich hat?

Gerhard Zahler-Treiber: Unseres Wissens ist der Wohnsitz ausschlaggebend.

UserInnenfrage per Mail: Was die Verhandlungen mit Drittstaaten über die Ausweitung der Zinsbesteuerungsrichtlinie betrifft: Wie lange kann so etwas dauern?

Gerhard Zahler-Treiber: Das hängt vom politischen Druck ab, der in der Öffentlichkeit gemacht wird. Unter Umständen kann es sehr schnell gehen, wenn der Druck fehlt kann es sich auch über Jahre hinziehen. Die USA hat mit FATCA gezeigt, dass mit viel Druck ein schnelles Einlenken möglich ist (siehe Schweiz).

UserInnenfrage per Mail: Gefragt sind in der derzeitigen Situation klare Spielregeln, wer wann und unter welchen Voraussetzungen in ein Konto Einsicht nehmen darf. Was würden Sie sich da wünschen?

Gerhard Zahler-Treiber: Es dürfen ja nur die zuständigen Beamten der Steuerbehörde Einblick nehmen. Beim Lohneinkommen ist es ja auch so und diese Personen unterliegen selbstverständlich der Verschwiegenheitspflicht. Die Strafrechtsorgane müssen natürlich im Verdachtsfall auch die Möglichkeit des Einblicks haben. Die jetzige Situation ist viel problematischer. Bei einem konkreten Verdacht fragt die Staatsanwaltschaft an und das geht durch den ganzen Bankenverband und jede kleine Bank in Österreich erfährt dann von dieser Anfrage. Das ist hinsichtlich Datenschutz wesentlich unbefriedigender.

Thurth: Das Finanzministerium preist als Erfolg bei den Verhandlungen, daß die bilateralen Abkommen mit der Schweiz und Lichtenstein erhalten werden könnten. Gibt es Abschätzungen, wieviel Einnahmen dem österr. Staat durch die dadurch stattfindende Legalisi

Gerhard Zahler-Treiber: Das ist schwer genau abzuschätzen aber in der Regel würden bei einem aufgedeckten Steuerbetrug oder einer Selbstanzeige höhere Einkünfte erzielt werden. Außerdem gibt es bei den Steuerabkommen mit der Schweiz und Lichtenstein keine Kontrolle Österreichs darüber, ob die Banken das korrekt an die österreichischen Steuerbehörden weitergeben.

hoqq: Kennen Sie "Bitcoin"? Wenn sich Systeme bzw. Crypto-Währungen dieser Art weiter etablieren ist jede Diskussion über die Abschaffung des Bankgeheimnisses überflüssig. Bitcoin als Chance? Gefahr? Oder noch keine Meinung gebildet?

Gerhard Zahler-Treiber: Dazu haben wir uns noch keine endgültige Meinung gebildet, zu Bitcoin oder anderen Crypto-Währungen.

afrikaaner: Wenn ich Finanzminister wäre dann...?

Gerhard Zahler-Treiber: ... würde ich ein gerechteres Steuersystem einführen, in dem Arbeitseinkommen entlastet wird, Kapital und Vermögen höhere Beiträge leistet und vor allem eine hinreichende Finanzierung für die öffentlichen Aufgaben sichergestellt ist. Denn die Staatsschulden sind nicht in erster Linie ein Ausgabenproblem sondern ein Einnahmenproblem. Abschließend möchte ich noch auf die heutige prominent besetzte Podiumsdiskussion um 19.30 im WUK hinweisen, zum Thema Bankgeheimnis.

Moderator-Message: Lieber Herr Zahler-Treiber, liebe UserInnen, danke für die anregende Stunde. Leider müssen wieder einmal zahlreiche Fragen unbeantwortet bleiben. Ihnen/Euch allen noch einen schönen Tag.

Moderator: Lieber Herr Zahler-Treiber, liebe UserInnen, danke für die anregende Stunde. Leider müssen wieder einmal zahlreiche Fragen unbeantwortet bleiben. Ihnen/Euch allen noch einen schönen Tag.