Sasa Miletic ist derzeit Junior Fellow am IFK.

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Ein Gerichtsverfahren ist immer auch eine Inszenierung. Das wussten im Grunde schon die antiken Tragiker, und es ist unübersehbar bei all den fiktiven Verfahren in den "courtroom dramas" und "courtroom thrillers", mit denen das kommerzielle Kino diese Inszenierung mit seinen Mitteln nachzustellen versucht. Von "reel justice" ist dabei manchmal die Rede, ein Wortspiel, in dem die Filmrolle mit der Waage der Justitia zusammenkommt.

Für den jungen Filmwissenschafter Sasa Miletic bietet sich hier auch eine gute Gelegenheit, seiner Disziplin ein wenig auf die Sprünge zu helfen. Allzu oft gelten Filme auch im akademischen Kontext heute noch als leicht verständliche, unkomplizierte Werke, an denen die Inhalte interessieren, nicht aber, wie sie gemacht sind. Dagegen hält Miletic seine Beschäftigung mit amerikanischen Gerichtsfilmen der 1990er-Jahre, zum Beispiel Jonathan Demmes Philadelphia, in dem Tom Hanks einen mit dem HI-Virus infizierten Homosexuellen spielte, der wegen des Ausbruchs seiner Krankheit seine Stelle als Anwalt verliert. Er klagt gegen diese Diskriminierung - und wie wir als Zuschauer und damit als erweiterte Jury in das daraus entstehende Verfahren filmisch involviert werden, das ist einer der Untersuchungsgegenstände (und eines der Beispiele) von Miletic.

Dass der gebürtige Serbe, der seit 1993 in Wien lebt und längst österreichischer Staatsbürger ist, nun als Junior Fellow des Internationalen Forschungszentrums Kulturwissenschaften der Kunstuniversität Linz (IFK) an diesem Vorhaben sitzt, hat auch mit einer Verschiebung des Interesses von der praktischen auf die theoretische Seite zu tun.

Als er 2002 mit der Filmwissenschaft begann, wollte er selber noch Filmemacher werden. Damals entstanden einige Kurzfilme, doch spätestens mit der konzentrierten Arbeit an einer Diplomarbeit über Rock 'n' Roll in Titos Jugoslawien (eingereicht bei Rainer M. Klöppl) begann Miletic sich für die film- und medienanalytischen Möglichkeiten seiner Disziplin so zu begeistern, dass er nunmehr an einem großen populärkulturellen Folgeprojekt sitzt, mit dem er 2014 die Promotion zu erlangen hofft. Am 17. Juni wird er bei einem Vortrag am IFK (Standort: 1010 Wien, Reichsratsstraße 17) über die Fortschritte seiner Beschäftigung Bericht erstatten.

Nebenbei ist in den Jahren die Musik für Miletic immer wichtiger geworden. Er ist Leiter des Chors Hor 29 Novembar, in dem sich anfänglich Leute aus Ex-Jugoslawien trafen, um Lieder aus der Tito-Zeit zu singen. Inzwischen hat sich der Kreis erweitert, der dazugehörige Verein engagiert sich für die Aufarbeitung der Gastarbeitergeschichte, zeigt sich aber auch bei Demonstrationen, Performances und Interventionen in den öffentlichen Raum.

Darüber hinaus ergeben sich hier auch wieder Übergänge in die akademische Arbeit. So nahm Miletic 2010 an einer Konferenz über Turbofolk teil, bei der es im Rahmen des Projekts "Balkanmeile: 24 Stunden Ottakringer Straße" um serbische Popkultur ging.

Angesprochen auf seine längerfristigen Perspektiven, bekommt man von Miletic eine Antwort, die typisch ist für die heutige Generation junger Akademiker: "Mal sehen." Und dann nach einer kurzen Pause: "Ich würde schon gern weiterarbeiten." (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 15.5.2013)