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Ayutla (Guerrero), 10. April 2013: Die "Policia Comunitaria" marschiert zur Unterstützung protestierender Lehrer

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Dass bei den Lehrerprotesten im mexikanischen Bundesstaat Guerrero auch die Büros oppositioneller Parteien angegriffen wurden, verblüffte ausländische Beobachter

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"Ich werde das öffentliche Bildungswesen bis zu Tod verteidigen ... verdammter E.P.N. (gemeint is Präsident Enrique Peña Nieto)

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In Óscar Ulises Valle nahmen Bürgermilizen Polizeichef Juan R. Escudero fest, dem sie vorwerfen, Beriehungen zu Organisierten Kriminalität zu unterhalten. Gegen die Zusage, dass Ermittlungen eingeleitet werden, übergaben sie ihn schließlich der Staatsanwaltschaft.

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Die südlichen Bundesstaaten Oaxaca, Michoacán und Guerrero sind in Mexiko dafür bekannt, dass die Autorität des Staates oft nur in den Städten und entlang der Verkehrswege durchzusetzen ist. Je weiter von den Städten entfernt eine Ansiedlung liegt, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie immer noch nach dem ehemaligen "Usos y Costumbres"-Gesetz verwaltet wird.

Diese am ehesten mit "Bräuche und Gebräuche" zu übersetzende Sonderregelung, die mittlerweile in "Sistemas Normativos Internos" (interne normative Systeme) umbenannt wurde, gesteht der dortigen Bevölkerung zu, ihre Vertreter anhand althergebrachter Traditionen statt durch Wahlen zu bestimmen, auch Justiz und Strafvollzug liegen in der Hand der Dorfgemeinschaften.

Kaum Polizeipräsenz

In Oaxaca sind es drei Viertel der Gemeinden, die ohne politische Parteien und gewählte Volksvertreter auskommen. Die Staatsgewalt zeigt sich auf dort allenfalls im Rahmen großangelegter Aktionen zur Bekämpfung bewaffneter Drogenbanden, ist den Großteil des Jahres aber nicht wahrzunehmen.

Im Nachbarstaat Guerrero hat sich sogar eine "Policia Comunitaria" gebildet, die angesichts mangelnder Erfolge der staatlichen Institutionen bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität selbst versucht, die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten. Am Dienstag besetzten Mitglieder der Bürgermiliz die Stadt Tepacatepec und vertrieben den Bürgermeister. Am Mittwoch wurden zusätzliche Einheiten der Bundespolizei in die Region verlegt, um Ruhe und Ordnung wiederherzustellen.

Erpressung

Die Aktivisten argumentieren, sie hätten die Initiative ergriffen, weil der Staat nichts dagegen unternehme, dass bewaffnete Banden immer wieder Passanten überfallen und sogar von kleinen Markthändlern Schutzgeld erpressen.

Lehrer und Bürgermiliz greifen Parteilokale an

Ende April verbündeten sich in Chilpancingo, der Hauptstadt Guerreros, protestierende Lehrer und die "Policia Comunitaria", um gegen die geplante Bildungsreform der konservativen Regierung zu demonstrieren. Nachdem die Polizei eine Autobahnblockade mit Gewalt beendete, griffen die Protestierenden die Lokale mehrerer Parteien an, die für das umstrittene Projekt gestimmt hatten.

Die parlamentarische Linke hat laut dem Aktivisten Daniel Arellano keine Lösungen anzubieten: "2010 wurde bei uns in Oaxaca die Partei der Institutionellen Revolution abgewählt, die sich seit 1929 an der Macht gehalten hatte. Stattdessen kam eine Koalition aus Rechten und sogenannten Linken an die Macht, von der sich große Bevölkerungsteile tiefgreifende Veränderungen erhofften. Diese Hoffnungen wurden leider enttäuscht, an der Straflosigkeit der Mächtigen hat sich nichts geändert", berichtet er im Gespräch mit derStandard.at.

Staat unterstützte Paramilitärs

Auch die mexikanische Regierung bediente sich paramilitärischer Gruppen: Der an die Öffentlichkeit gelangte "Plan de Campaña Chiapas 1994" sieht die Ausbildung "lokaler Selbstverteidigungsgruppen" vor, die sich an "Sicherheits- und Entwicklungsprogrammen beteiligen sollen". Belegt ist zum Beispiel, dass die Paramilitärs am 22. Dezember 1997 in Acteal (Bundesstaat Chiapas) 44 Dorfbewohner ermordeten.

Das Massaker blieb bis heute ohne Konsequenzen. Die mutmaßlichen Täter mussten auf Anordnung des Höchstgerichts wegen Verfahrensmängeln freigelassen werden (derStandard.at berichtete), und die Politiker, die die Bluttat angeordnet haben sollen, wurden nie belangt. Der damalige Innenminister Emilio Chuayffet hat mittlerweile das Bildungsressort übernommen und ist für die umstrittene Bildungsreform verantwortlich.

Lehrer gegen Reformpläne

Chuayffets Reformpaket, das im Dezember 2012 von den vier größten Parlamentsparteien beschlossen wurde, soll das Bildungsniveau erhöhen. Dazu wird eine Professionalisierung des Lehrkörpers angestrebt, die Aufnahmebedingungen in den Lehrerstand sollen vereinheitlicht und die Leistungen der Pädagogen regelmäßig evaluiert werden. Ab der fünften Schulstufe sollen nach uruguayanischem Vorbild alle Kinder einen Laptop erhalten, außerdem soll die Ganztagsbetreuung ausgebaut werden.

Die Lehrerschaft wirft dem Minister vor, dem Lehrpersonal schwer erkämpfte Rechte entziehen zu wollen. So haben die Gewerkschaften vor Jahren durchgesetzt, dass Pädagogen bei ihrer Pensionierung den Posten an Angehörige weitergeben können. "Dass in Einzelfällen Posten verkauft wurden, wird jetzt groß aufgeblasen, um das Ansehen des Berufsstandes zu schädigen - aber dass Politikerdynastien wie die Figueroas drei Generationen lang den Gouverneur von Guerrero stellen, stört die etablierten Parteien überhaupt nicht", kritisiert Arellano, der eine Privatisierung des Bildungswesens befürchtet. (Bert Eder, derStandard.at, 17.5.2013)