Schutzhaus-Wirt Sridharan Bhashyan, seine Frau und Curry-Spezialistin Radha und Köchin Ella Mysyk aus Krakau: Modell eines vielfältig fruchtbaren Kulturaustauschs.

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Wien – "Ja hallotschi, servas Rudi, wie hammas heit?"  Sridharan Bhashyan, den hier alle Roger rufen, grüßt einen Stammgast, der "auf a Plauscherl und an Spritzer rot"  vorbeischaut. Mit dem stolzen Schnauzer, dem Kellnerwams und dem breiten Hernalserisch wirkt Bhashyan wie ein archetypischer Wiener Vorstadtwirt. Nur die ungekünstelte Menschenfreundlichkeit und die Hautfarbe deuten darauf hin, dass hier ein Zuag'raster den Dienst am Gast versieht.

Bhashyan arbeitet seit 26 Jahren im Schutzhaus am Heuberg. Im Jänner 1987 war er aus Bern kommend in Wien gelandet. "Nach zwei Wochen hab ich im Schutzhaus als Hilfskellner angefangen."  Der Rest ist sozusagen Geschichte: 2001, als seine Chefs in Pension gingen, hat Bhashyan die Pacht übernommen.

"Am Anfang war's ned immer leicht" , erzählt er, "da hab ich noch an Schweizer Akzent gehabt."  Ein paar Stammgäste hätten sich zwar verflüchtigt – dafür seien neue dazugekommen: "Man darf nicht vergessen: Ich war der erste Ausländer hier oben am Berg."  Und die Chefin habe überhaupt "a bissl Zeit braucht" , bis sie sich mit der Idee eines Kellners angefreundet hatte, dem "das Ausland"  schon an der Nasenspitze anzusehen war: "Ich hab mich beim Chef beworben" , sagt Bhashyan, "die Chefin war auf Urlaub. Als sie eines Mittags in der Tür stand und ich in Kellnermontur mit Schnitzeln vorbeigelaufen bin, hat sie nur einen Satz gesagt – ,Was macht der Neger da?'"  Bhashyan lacht, als hätte er einen guten Schmäh erzählt.

Dass die "Frau Chef"  bald überzeugt war, hängt wohl mit der außerordentlichen Bereitschaft Bhashyans zusammen, die Regeln und Gebräuche des einstigen Gastlands – seit 1998 ist er Österreicher – nicht infrage zu stellen. Als Brahmane ist er Vegetarier, Rinder sind den Hindus überhaupt heilig. Dass der Zwiebelrostbraten und speziell das Boeuf Stroganoff von der Schutzhaus-Karte einen Ruf wie Donnerhall im Grätzl haben, habe ihn aber nie gestört, sagt Bhashyan – im Gegenteil: "Wenn ich damit ein Problem hätte, wäre ich kaum nach Europa gekommen."  Zwar habe er Fleisch "niemals auch nur gekostet"  – was er in den Jahrzehnten seines Berufslebens aus der Küche an die Tische getragen hat, waren aber fast immer Gerichte, in denen Schwein und Rind die Hauptrolle spielten. "So ist das eben: Samma a Wiener Schutzhaus oder ned?"

Grießnockerl auf indische Art

In der Küche steht seit 14 Jahren Ella Mysyk, die aus Krakau stammt. Die Wiener Küche sieht sie eng mit der polnischen verwandt. Dezidiert heimatliche Gerichte aber haben es bisher noch nicht auf die Speisekarte geschafft – obwohl Mysyk im Gespräch erwähnt, dass sie durchaus Lust hätte, den Gästen einmal Kroketi mit Barszcz (panierte Fleischpalatschinken, die mit einer Tasse klarer Rote-Rüben-Suppe serviert werden, Anm.) vorzusetzen.

"Dann mach ma das, und zwar bald" , meint Bhashyan darauf, "des geht sicher auch wie die Feuerwehr."  Vergangenes Jahr hat sich die Palette der Speisen im Schutzhaus nämlich ganz entscheidend erweitert. Bhashyans Frau Radha, die zuvor ein südindisches Lokal in Floridsdorf betrieben hatte, kocht seitdem jeden Abend Spezialitäten aus der Heimat – und die haben sich zu einem absoluten Renner entwickelt. "Inzwischen macht die indische Küche locker 80 Prozent der Abendbestellungen aus" , erklärt der Chef, "oft ist es so, dass die älteren Herrschaften in einer Runde wienerisch bestellen, die Jüngeren sich's aber total auf unsere Kormas und Dhosas (knusprige Reismehlpalatschinken, Anm.) stehen."

Auch Ella Mysyk, die inzwischen etliche südindische Rezepte intus hat und für die Currys mit Fleisch verantwortlich zeichnet, kann sich ein Leben ohne "scharfe Chutneys"  inzwischen nicht mehr vorstellen: "Wenn man einmal auf den Geschmack gekommen ist, kommt einem das Leben ohne Chilischärfe ziemlich langweilig vor."  Längst ist es deshalb zur Gewohnheit geworden, dass sich das Team morgens vor Arbeitsantritt zum gemeinsamen Frühstück einfindet. "Indisch natürlich" , lacht Mysyk, "da gibt's dann gedämpfte Grießnockerl indische Art mit Dhal-Sauce und verschiedenen Chutneys – das weckt ganz anders auf!"

Und wie haben die Bhashyans sich mit der heimischen Küche angefreundet? "Hm. Vieles wirkt für unsere Gaumen halt gar ungewürzt" , sagt Radha, "aber einmal in der Woche kocht Ella für uns auf – da gibt's gebackenes Gemüse mit Sauce trara. Aber mit extra viel frischem Chili drin!" (Severin Corti, DER STANDARD, 18.05.2013)