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Die Aschewolke des Popocatépetl steigt ­kilometerweit in den Himmel auf. Die Behörden bereiten eine mögliche Evakuierung vor - die Indígenas wollen "Don Goyo", wie der Vulkan heißt, mit Gaben besänftigen.

Foto: AP/Verdugo

Wenn nur die Asche nicht wäre. Seit fast fünf Jahren lebe ich am Fuße eines aktiven Vulkans. Ich mag ihn, meistens jedenfalls. Den majestätischen Anblick, wenn die aufgehende Sonne den schneebedeckten Kegel des Popocatépetl rosa färbt. Oder wenn er – so wie in dieser Woche – eine kilometerhohe Rauchfahne ausspuckt. Dann erinnert uns der 5452 Meter hohe Koloss im zentralmexikanischen Puebla an seine Macht.

Grummelnder Vulkan

Seit einigen Tagen grummelt er, und in der Nacht kann man manchmal etwas Lava im Krater leuchten sehen. Morgens sieht es aus, als habe es geschneit: Das ist die Asche. Dann müssen alle mit Mundschutz auf die Straße, in der Schule fällt der Sportunterricht im Freien aus, und man verbringt Stunden damit, den feinen Staub zusammenzufegen. Bücherbord und den Computer.

Alarmstufe gelb drei

Die Behörden haben die Alarmstufe gelb drei verhängt und bereiten sich auf eine Evakuierung vor. Dem Katastrophenschutz zufolge hat sich eine große Menge Lava unter einer festeren Schicht im Krater angesammelt und wird sich bald in einer Explosion entladen. Der Popocatépetl ist einer der bestüberwachten Vulkane der Welt - in seinem Einzugsbereich leben 25 Millionen Menschen.

Die Hauptstadt liegt 55 Kilometer entfernt, die viertgrößte Stadt Puebla, in der ich lebe, 35 Kilometer. Die Bewohner von San Nicolás, die als Erste ihre Lehmhütten verlassen müssten, machen sich überhaupt keine Sorgen. Sie ertragen den Medienrummel mit stoischer Ruhe und boten den Journalisten, die sich angesichts der Heraufstufung der Gefahr schnell eingefunden haben, Schnaps und Tortillas an.

Heiliger Vulkan

"Wir leben seit Jahrhunderten mit dem Vulkan und kennen ihn genau. Für uns ist er Don Goyo, und er ist heilig. Besorgt sind wir nicht", sagte Bürgermeister Víctor Menéndez. Von Evakuieren halten die Indígenas nicht viel. War­um, erläuterte Doña Vicenta, eine alte Heilerin: "Der Vulkan ist krank, und wir müssen ihm dringend Medizin und Opfergaben bringen."

Don Goyo, so eine alte Indígenalegende, war eigentlich ein mutiger Krieger und liebte die Prinzessin Ixtaccihuátl. Bevor er in den Krieg zog, bat er den König um die Hand seiner Tochter. Dieser willigte ein - wenn Popocatépetl siegreich aus dem Krieg gegen die Azteken zurückkomme. Ein Widersacher Popocatépetls streute das Gerücht von dessen Tod, aus Gram verstarb die Prinzessin.

Rauchfahne als Zeichen der Leidenschaft

Popocatépetl beerdigte sie unter einem Steinhügel, der die Form einer schlafenden Frau annahm, und wacht seither mit einer Fackel über ihren ewigen Schlaf. Immer, wenn sich sein Herz der Geliebten erinnere, so die Legende, entzünde sich das Feuer der Leidenschaft in ihm, und schicke eine Rauchfahne in den Himmel. (Sandra Weiss aus Puebla, DER STANDARD, 18./19.20.5.2013)