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US-Präsident Barack Obama ließ den türkischen Premier Tayyip Erdogan bei der Pressekonferenz vor dem Weißen Haus nicht im Regen stehen.

Foto: Reuters / Jason Reed

Der Empfang des türkischen Premiers Erdogan im Weißen Haus diese Woche zeugte wieder davon.

Wenn es nun einen Erdogan-Obama-Fahrplan aus dem Syrienkrieg gibt, dann ist er geheim, oder er reicht vielleicht nur bis zum nächsten Halt – einer möglichen internationalen Konferenz, politisch gesponsert von den USA und Russland, mit einer vorgestellten Beteiligung des Assad-Regimes und der Assad-Gegner.

Der türkische Regierungschef hat diese jüngste diplomatische Initiative akzeptiert und bei seinem Besuch in den USA diese Woche gleichzeitig klargemacht, wie wenig er sich davon verspricht. "Wir wollen Syrien vor einem autokratischen Regime und einer Diktatur retten" , erklärte Erdogan bei einem Auftritt mit US-Präsident Barack Obama im Rosengarten des Weißen Haus. Eine Einladung zu Verhandlungen hört sich anders an. Ankara will anderes: US-Waffen für die Opposition, militärisch abgesicherte Korridore in Syrien, um der Zivilbevölkerung Hilfe zu liefern und auch um in den Milizengebieten wieder Terrain zu gewinnen; wenn es sein soll, eine Flugverbotszone.

"So eng die Beziehung auch war, einfach war sie nie" , stellte der Council on Foreign Relations, ein renommierter Thinktank in Washington, über das Verhältnis der USA zu seinem großen Nato-Partner fest, sechs Jahrzehnte im Blick – vom türkischen Kontingent im Koreakrieg der 1950er-Jahre zum Streit über das iranische Atomprogramm 2010, als Erdogan, erbost über Washingtons Nein zu einem türkischen Parallelplan über einen Urantausch mit Teheran, seinerseits im UN-Sicherheitsrat das Veto der Türkei gegen eine Iran-Resolution der USA einlegen ließ.

Am Ende immer mit an Bord

Doch eine Erfahrung westlicher Diplomaten besagt: Am Ende sind die Türken immer mit an Bord. Sie brauchen nur entsprechend Pflege. Als geopolitischer Partner ist die Türkei mit dem US-Feldzug im Irak 2003 wichtig geworden; das türkische Parlament versagte damals den US-Truppen den Durchmarsch in den Nordirak. Arabischer Frühling und Syrienkrieg haben das Land nur noch wichtiger für die USA gemacht.

Obama, seine frühere Außenministerin Hillary Clinton und ihr Nachfolger John Kerry pflegen ihre Beziehung zu Tayyip Erdogan und dessen rastlosen Außenminister Ahmet Davutoglu. Kerry ist nun jeden Monat in Ankara oder Istanbul, manchmal öfter. Der US-Präsident greift anders als seine Vorgänger regelmäßig zum Telefonhörer und berät mit Erdogan über Syrien, den Iran oder den politischen Übergang in Ägypten. Das gefällt der türkischen Führung, die keine Gelegenheit auslässt, um die internationale Bedeutung ihres Landes zu erklären, und doch immer nach Selbstbestätigung sucht.

Das Ergebnis ist eine nüchtern kalkulierte Beziehung zum beiderseitigen Nutzen. Mavi Marmara war dafür ein Beispiel: Am Ende seiner jüngsten Nahostreise überredete Obama Israels Premier Benjamin Netanjahu zu einer Entschuldigung für den Angriff auf das Gaza-Hilfsschiff 2010 und die neun türkischen Toten. Der Türkei bescherte er damit einen enormen diplomatischen Sieg.

Für Washington ist die Aussicht auf eine tragfähige Aussöhnung zwischen seinen beiden Partnern in der Region dafür ein großes Plus.

Wenn es nützlich erscheint, greifen Erdogan und Davutoglu andererseits vor anatolischem Publikum wie bei internationalen Konferenzen gern in die rhetorische Mottenkiste und prangern einen "westlichen Imperialismus"  in Nahost ohne humanitären Antrieb an. Die Hamas loben sie als "Befreiungsbewegung" ; zur Hisbollah im Libanon und deren militärische Drohung gegen Israel fällt ihnen öffentlich nicht viel ein, ebenso zu den Jihad-Gruppen in Syrien, von denen klar ist, dass sie die Türkei zumindest als bequemes Einreisegebiet für ihre Rekruten nutzen. Dafür machte Erdogan in Washington klar: Dieses Mal wird er nach Gaza fahren – Obamas Einwände hin oder her. (Markus Bernath aus New York/DER STANDARD, 18.5.2013)