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Eine Journalistin in Damaskus versucht, sich ein Bild von der Lage zu machen.

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Moderator und CNN-Anchor Jim Clancy.

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Amman - "Wer weiß eigentlich, was in Syrien wirklich vor sich geht?", fragte Ahmed Shihab-Edin, Producer bei der Huffington Post und früherer Al-Jazeera-Journalist beim Weltkongress des International Press Instituts (IPI) in Amman. Rund zweihundert Journalisten waren im Saal, drei Hände gingen hoch. Über das Dilemma, wie man sich vor allem in Syrien ein Bild von der Lage machen, wem man trauen kann, ging es bei zwei Debatten am Montag.

Schon über die Frage, ob man überhaupt von einem Krieg sprechen könne, waren sich die Journalisten nicht einig. "Werden Chemiewaffen vom syrischen Regime oder von Rebellen eingesetzt?", wollte der Moderator, CNN-Anchor Jim Clancy, wissen. Der Kolumnist der türkischen Zeitung Milliyet, Kadri Gürsel, insinuierte, dass das Regime mit dem Anschein von Chemiewaffeneinsatz psychologischen Krieg führe.

Massoud Akko von der syrischen Journalistenvereinigung schlug in eine ähnliche Kerbe: Er mutmaßte, dass alles nur erfunden worden sei, damit eine Flugverbotszone über Syrien eingerichtet werde. "Ich weiß nicht, was in Syrien los ist", gibt der türkische Kolumnist dann zu.  "Wir wissen nicht, ob die rote Linie, die US-Präsident Barack Obama gezogen hat, überschritten worden ist."

Informationen von Aktivisten

Auf Informationen von Aktivisten seien alle Journalisten angewiesen, meinte der syrische Journalist Akko. "Man muss seine Quellen haben, um an Informationen zu kommen." Normale Bürger würden mit ihren Smartphones Fotos schießen und spielten eine immer wichtigere Rolle. Journalisten müssten alle Informationen prüfen. "Aber die Wahrheit liegt nicht nur in den Händen von Journalisten." Das Hauptproblem sei: "Wir können nie beide Seiten vergleichen."

Dass die BBC geradezu detektivischen Aufwand betreibe, um etwa zugespieltes Videomaterial zu prüfen, beschrieb der in Beirut stationierte Nahost-Produzent der BBC, Richard Colebourn. "Ich glaube nicht, dass wir von Aktivisten missbraucht werden. Wir sind keine Opfer einer großen Konspiration."  Einig waren sich aber alle am Podium, dass es zwischen Journalisten und Aktivisten eine klare Unterscheidung geben müsse.

Selbstzensur

Gürsel beschrieb, dass in seiner Heimat Türkei noch Selbstzensur bei Berichten über das Nachbarland Syrien dazu komme, da in der Türkei viele Journalisten gerichtlich verfolgt und inhaftiert werden. "Die Arbeitssituation für Journalisten in der Türkei ist alles andere als vielversprechend." Darauf hatte zuvor auch IPI-Direktorin Alison Bethel McKenzie in ihrem Bericht über die Lage der Pressefreiheit hingewiesen.

Keine klare Antwort gab es auch auf die Frage, wie Quellen eigentlich geschützt werden könnten. Auch das Unbehagen darüber wurde deutlich, dass es in puncto Schutzmaßnahmen einen klaren Unterschied zwischen Freelancern und fest angestellten Korrespondenten in Krisengebieten gebe. In Syrien wurden im Vorjahr laut IPI 39 Journalisten getötet.

Mehr Fragen als Antworten

Wie soll es nun weitergehen in Syrien? Auch da herrschte Ratlosigkeit: Gürsel appellierte an die internationale Gemeinschaft, den Konflikt zu beenden, bevor es ein "systematischer Krieg" werde. BBC-Producer Colebourn sagte kurz und knapp: "Ich weiß nicht, wie das ausgehen wird." Für den syrischen Journalist Akko ist aber eines klar: Der Fall des Regimes sei nicht das Ende des Konflikts.

Dass die Journalisten im Publikum genauso ratlos wie jene am Podium waren, zeigten die eintrudelnden Twittermeldungen. Der Chefredakteur der kosovarischen Zeitung Koha Ditare, Agron Bajrami, brachte es auf den Punkt: "Die Diskussionen enden mit mehr Fragen als Antworten. Wenn schon die über Syrien berichtenden Journalisten kein klares Bild von der Lage haben, wie können es dann die Leser, Zuhörer und Zuschauer haben?" (Alexandra Föderl-Schmid aus Amman, derStandard.at, 20.5.2013)