Aktivisten "bewachen" den Fluss. Am Mittwoch bekommen sie bei einer Protestkundgebung am Abend Verstärkung.

Foto: Martin Engelbogen

Graz/Schwanberg - "Man hat allen versprochen, dass wir einen super Weg und Entschädigungen bekommen, aber das interessiert uns nicht", erzählt Gerti Deutschmann dem Standard, "wir wollen, dass die Natur bleibt, wie sie ist". Deutschmann hat ein Grundstück an der Schwarzen Sulm, einem Fluss, der von der EU zum schützenswerten Natura-2000-Gebiet erklärt wurde und um den seit mehr als zehn Jahren ein Streit tobt, weil dort ein Kraftwerk entstehen soll.

Auf einer Seite stehen die Projektwerber Peter Masser und Alfred Liechtenstein, die das Kraftwerk bauen wollen. Ihre Gegner sind der Umweltdachverband, der WWF, die Umweltanwältin der Steiermark, Grüne, KPÖ und Anrainer. Es ist auch ein Politstreit: Die Projektwerber haben Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) und Umweltlandesrat Gerhard Kurzmann (FPÖ) hinter sich. Die Umweltschützer Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP).

Zwei Lager am Fluss errichtet

Vergangene Woche rollte der erste Bagger an. Um fünf Uhr morgens, "es war noch dunkel", erzählt Deutschmann, begann man, eine Zufahrt zum Fluss zu verbreitern. Doch der Weg gehört zur Hälfte Familie Deutschmann, und die parkte ihren Traktor nun mitten auf dem Weg und verstellt ihn.

"Ich habe keine Angst", sagt Deutschmann, "ich fühle mich im Recht". Zudem wurden am Fluss zwei Lager errichtet, wo seit Pfingsten Aktivisten campieren. Am Mittwochabend erwartet man bei einer Protestkundgebung hunderte Kraftwerksgegner.

Viele Biotope an der Schwarzen Sulm

"Das ist nicht irgendein Bacherl", sagt Umweltanwältin Ute Pöllinger im Standard-Gespräch, "er ist einzigartig in Österreich". Die Schwarze Sulm ist 83 Kilometer lang, gesäumt von teilweise unberührten Ufern und Heimat gefährdeter Tiere wie dem Steinkrebs. Auf dem betroffenen Abschnitt sind 45 schutzwürdige Biotope. "Es wäre ein riesiges Drama, das zu zerstören", sagt Pöllinger, "und das für ein Kraftwerk, das gerade einmal für 4500 Haushalte Strom erzeugen könnte".

Der Rechtsstreit im Hintergrund wird immer verfahrener. Das Absurde: Die Projektwerber haben eine Baubewilligung, die zwar rechtskräftig, aber laut Pöllinger "rechtswidrig" ist. Denn Voves bewilligte das Projekt vor Jahren, weil er den Schaden an der Natur kleiner sah als das öffentliche Interesse an Energiegewinnung. Die Wasserwirtschaft berief dagegen beim Umweltminister und bekam recht. Die Kraftwerksprojektwerber riefen den Verfassungsgerichtshof an und bekamen auch recht. Das Verfahren wurde zurück in die erste Instanz geworfen, die Baubewilligung ist aber noch bis Juli rechtskräftig.

Voves unter Druck

Aus Wien appellieren Berlakovich und Parteifreund Günther Kräuter an Voves, die Reißleine zu ziehen. Pöllinger und einige NGOs haben bei der EU auch ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet. Nun könnten Österreich Strafzahlungen von 60 Millionen im Jahr drohen. Eine von Berlakovich empfohlene nochmalige Prüfung nach dem Wasserrecht ist auch noch ohne Ergebnis.

Die Grünen nennen Voves "feig". Der sagt dem Standard: "Es bestehen rechtskräftige Bescheide, auf deren Basis Rechte entstanden sind, die man nicht willkürlich aus dem Weg räumen kann." Das sieht Gerti Deutschmann bei ihrem Traktor auch so. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 22.5.2013)