Wien - Ein vor rund einem halben Jahr präsentiertes überparteiliches Aktionskomitee läutet in seinem Kampf zur Abschaffung des 20-prozentigen Selbstbehaltes beim Arztbesuch für Selbstständige eine neue Runde ein und stellt sich breiter auf. Mit weiteren Aktionstagen, einer Fortsetzung der Unterschriftenaktion und neue Anträgen in der Wirtschaftskammer will der sozialdemokratische Wirtschaftsverband seiner Forderung Nachdruck verleihen und hofft, den ÖVP-Wirtschaftsbund und die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) doch noch umstimmen zu können.

Nach der Grünen Wirtschaft und der Wiener Ärztekammer präsentierte der Initiator des Aktionskomitees und Präsident des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes Wien, Fritz Strobl, am Mittwoch auch SPÖ-Finanzstaatssekretär Andreas Schieder, das Vorstandsmitglied der Piratenpartei, Rodrigo Jorquera, den Schauspieler Adi Hirschall und die Vorsitzende des Netzwerkes Business-Mamas, Gabriele König, als weitere Unterstützer.

Soziale Risiken

Schieder begründete seine Unterstützung damit, dass soziales Sicherheit ein ganz zentrales Thema auch für Selbstständige und insbesondere für Ein-Personen-Unternehmen (EPUs) sowie Kleinunternehmen sei. Der Staatssekretär verwies darauf, dass die sogenannte Freiheit der Selbstständigkeit oft mit hohem sozialen Risken verbunden sei. Die Hürde des Selbstbehaltes beim Arztbesuch ist für ihn sozial- und gesundheitspolitisch "ein Wahnsinn".

In Österreich gibt es rund 450.000 Selbstständige, 240.000 davon sind EPUs, in Wien sind 60 Prozent der aktiven Kammermitglieder EPUs. Strobl betonte, dass eine Krankheit für viele von ihnen existenzielle Probleme bedeute, weil ihr Betrieb dann geschlossen sei. Viele gingen deshalb krank zur Arbeit, auch weil sie sich einen Arztbesuch nicht leisten können, erläuterte der Präsident des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes Wien.

Sozial-U-Boote

König verwies darauf, dass das Medianeinkommen der EPUs im Jahr 2009 nur 11.339 Euro pro Jahr vor Steuern betragen habe, jenes der Frauen gar nur 8,375 Euro. Hirschall meinte, dass die SVA für viele Schauspieler, die kein fixes Engagement haben, zu teuer sei und diese "als U-Boote abtauchen". Jorquera begründete seine Unterstützung für die Initiative damit, dass die Piratenpartei von vielen IT-Mitarbeitern getragen werde, die oft als Freelancer arbeiten, und diesen wolle man soziale Sicherheit geben.

Die Kosten für eine Abschaffung des Selbstbehaltes konnte Strobl nicht beziffern, er betonte aber, dass dies leistbar wäre. Seiner Meinung nach könnten Menschen mit größerem Einkommen dafür höhere Beiträge zahlen. Die Frage vieler SVA-Versicherter beim Arzt, was die Behandlung koste, hält Schieder für unangebracht. Eine solche Frage sei bei einem Automechaniker zulässig, beim Arzt sollte aber die Gesundheit im Vordergrund stehen und nicht die Kosten.

Der seit Jahresbeginn 2013 geltende Selbstbehalts-Deckel von fünf Prozent des Jahreseinkommens für SVA-Versicherte ist für Strobl zwar ein erster richtiger Schritt, der aber nicht ausreiche. Die seit vergangenem November laufende Unterschriftenaktion hat bisher allein ein Wien rund 4.000 Unterstützungen gebracht. Strobl zeigte sich zuversichtlich, bis Juni das Ziel von österreichweit 10.000 Unterschriften zu erreichen. (APA, 22.5.2013)