
Frau mit Entourage: Sevda Chkoutovas trianguläre Komposition setzt eine Frau ins Zentrum. Die Männer sind in der großformatigen Zeichnung "Christine Pils" (2012) nur Nebenfiguren.
Wien - Zuerst war der Mann. Das ist auch in Sevda Chkoutovas Bilderzählung von Adam und Eva so, allerdings sieht der von Gott aus einem Klumpen Lehm geschaffene Mann leider auch so aus. Trotz aller Kultivierung bleibt er profillos und flach und sieht, als er auf Chkoutovas steile Eva trifft, einfach wie ein abgebrochener Meterstab aus. Auch der Weiblichkeit geht's fortan schlecht. Eva verblasst neben ihrem Adam, bis sie die Konsequenzen zieht, sich abwendet und den Garten Eden verlässt. Erst völlig abgenabelt gewinnt sie wieder an Kontur.
Trotz aller Bissigkeit vermag raus aus dem paradies (2013) aber beide Geschlechter zum Lachen zu bringen. Und dennoch schreien die neuesten, wie immer virtuos gefertigten Zeichnungen in Grafit und Kugelschreiber auch ein bisschen "Revanche!". Denn nach einer Werkphase, die beeinflusst von der Lebensrealität der 1978 in Sofia geborenen und in Wien lebenden Künstlerin, das Auf und Ab im Alltag einer Mutter schilderte, erscheint die Frau nun als triumphierende Protagonistin.
Chkoutovas Bild einer emanzipierten Heldin, die selbstbewusst und den Betrachter fixierend im Liebestöter posiert (o.T._10, 2012), erinnert nicht nur an die erotisch aufgeladene Pose des heiligen Sebastians, sondern lässt auch noch die verblassenden Flügel des Cupido erahnen, die sich wie ein schützender Leerraum um den nackten Torso legen.
Sie eignet sich und anderen Frauen die Position des männlichen Heros in der Kunstgeschichte an: etwa die der Christusfigur, die von Männern in unterwerfender Anbetung flankiert wird. Oder jene des sitzenden Patriarchen, der sich mit seiner weiblichen Entourage in Szene setzt.
Während ihre spontanen Zeichnungen auf den Galeriewänden den Alltag als Frau, Mutter und sexualisiertes Wesen als surreal-aggressiven, von Comicfiguren beseelten Wahnsinn zutage treten lassen (das Motiv der Dusche weist auf die "beschmutze" Protagonistin hin), sind die in ihrer Überzeichnung provokant geratenen Bilder nur einer Vorstellungswelt zuzuordnen. Das zeigt sich in unwirklich zurücktretenden, aber nicht minder präzise schraffierten Hintergründen und manchen in Unschärfe getauchten Figuren. Oder in den schemenhaften und fragmentierten Szenen, die an der Schläferin in Venus_02 vorbeiziehen. Alles nur ein Traum? (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 23.5.2013)