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Gegen Diskriminierungen aufzutreten, trauen sich nicht viele. Dagegen ist das Sich-trauen-lassen in alt gewohnter Manier wieder "in".
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Glühende Hitze mit 35 Grad Celsius im Schatten an einem Samstag vormittag in einer niederösterreichischen Gemeinde. Vor dem örtlichen Rathaus haben sich bereits an die 30 Menschen angesammelt, die der standesamtlichen Trauung eines Paares beiwohnen möchten. Adrett gekleidet und frisch parfümiert, wie es für einen solchen Anlass geziemt, stehen sie (noch) wohlgelaunt in kleinen Gruppen beisammen. Beim Smalltalk, der bei diesen Gelegenheiten Verhaltenskodex Nummero Zwei (nach dem Kleidungscode) bildet. Woher kennen Sie das Paar? Sind Sie mit ihr verwandt? Aha, eine Studienkollegin, verstehe, etc. wirbelt es durcheinander. Wangenküsschen da und dort zwischen den mehr oder weniger Befreundeten und VerwandtInnen.

Das Brautpaar verschwindet im Rathaus. Als bald folgt die Menschentraube nach. Geschiebe, Ellbogen-Einsatz. Alle wollen einen guten Platz ergattern, um ja nichts zu versäumen. Als ob ein Theaterstück aufgeführt würde, das nicht alle Tage zu sehen ist. Naja, eine Trauung ist das ja auch nicht, eben. Die Rücksichtsloseren haben sich einen Sessel gesichert und schauen zufrieden auf jene, die ihre Ellenbogen nicht eingesetzt haben und den Rest des Raumes stehend ausfüllen.

Die Tür wird geschlossen und die Standesbeamtin beginnt die Zeremonie. Nach einer Begrüßung stellt sie sich vor. Sie sei Frau Sowieso, der Standesbeamte der Gemeinde Sowieso. Ja, ja wir hätten schon richtig gehört. Es sei ihr verboten, sich Standesbeamtin zu nennen. Eine weibliche Berufsbezeichnung existiere nicht. Was sie aber augenscheinlich nicht sonderlich bedauert. Dann fährt sie ungerührt mit der Abwicklung bürokratischer Details fort und kommt zum nächsten Diskriminierungspunkt der Tagesordnung. Die Braut habe sich für die Annahme des Namens ihres künftigen Ehemannes entschieden. Der Ordnung halber müsse sie, der weibliche Standesbeamte, die zweite Namensoption anführen; die des Doppelnamens. Die Braut dürfe an den gemeinsamen Ehenamen ihren Geburtsnamen anschließen. Die weiteren Möglichkeiten (beide behalten ihre ursprünglichen Namen, der Mann nimmt den Namen der Frau an und kann ebenso seinen Geburtsnamen dazustellen) bleiben unerwähnt.

Die Luft wird stickiger. Die Lampen an den Wänden werfen ihr heißes Licht erbarmungslos auf die im Halbkreis Stehenden. Die steigen mittlerweise von einem Fuß auf den anderen, verschränken die Arme, lassen sie wieder fallen, räuspern sich und hüsteln. Doch die Trauung ist noch lange nicht zu Ende. Auch der weibliche Standesbeamte kennt kein Erbarmen. Akribisch verweist er/sie auf den Sinn der Ehe, die Ernsthaftigkeit dieser Entscheidung eines gemeinsamen Lebensweges, auf Zueinanderstehen, Treue und Vertrauen.

Was hat es mit Trauung, Vertrauen uns sich trauen so auf sich, denke ich, während der Schweiß in kleinen Bächlein in meine Kniekehlen rinnt. Leitet sich das Wort "Trauung" von "Vertrauen/sich anvertrauen" ab oder geht es um das "sich trauen/wagen"? Egal, denke ich. Mein etymologisches Wörterbuch liegt zu Hause. Und eigentlich interessiert mich mehr, was Frauen dazu bewegt - oder eben nicht bewegt - sich (nicht) zu trauen. Anzukämpfen gegen ihre Unterdrückung und Unsichtbarmachung. Sei es die Standesbeamtin, die sich nicht getraut, sich einfach über die patriarchale Bezeichnung hinweg zu setzen und statt dessen lieber als Mann ihr Amt ausübt. Eine übrigens, welche die frauenpolitische Errungenschaft der freien Namensrechtwahl ausblendet, ja sogar ihre Pflicht der Rechtsaufklärung ihrer KlientInnen unterlässt und somit das herrschende System zusätzlich stützt. Und sei es auf der anderen Seite eine nicht mehr junge Frau, die freiwillig ihren Geburtsnamen aufgibt und damit ein Stück ihrer Geschichte und Identität, um den Namen ihres Schwiegervaters anzunehmen.

Das Thema ist heiß. Nicht nur an diesem hitzigen Samstag vormittag im Juli. (dabu)