Nächste Runde im Gelehrtenstreit um Zwettler Nibelungenfragmente
"Fauler Nibelungenzauber" versus "ältestes Fragment" erhitzt österreichische und deutsche Gelehrtengemüter
Redaktion
,
Wien - Der Gelehrtenstreit um die angeblich ältesten
Fragmente des Nibelungenliedes, die die Historikerin und Archivarin
des Stiftes Zwettl, Charlotte Ziegler, dort entdeckt haben will,
geht weiter. Der Marburger Altgermanist Joachim Heinzle hat in der
jüngsten Ausgabe des "Marburger UniJournal" die Fragmente als "faulen
Nibelungenzauber" bezeichnet, der "rein gar nichts mit den Nibelungen
zu tun" hätte. Vielmehr handle es sich "zweifelsfrei" um den
französischen Roman vom Königssohn Erec und seiner Frau Enite, den
Chrestien de Troyes um 1170 verfasste.
"Nibelungisches"
Ziegler beharrt gegenüber der APA darauf, dass auf den Fragmenten
neben den Erec-Texten, die sie auch selbst in ihren Forschungen
entdeckt habe, weiters "Nibelungisches" enthalten sei. Dies werde
auch durch neue Erkenntnisse gestützt. Ob der Text dem Nibelungenlied
oder der danach entstandenen Nibelungenklage zuzuordnen sei, wolle
Ziegler (auch mit dem gewählten Terminus "Nibelungisches") "zur
Diskussion stellen". Ein Teil der Fragmente nehme jedenfalls Bezug
auf den Nibelungentext. Ziegler warf Heinzle auch in Hinblick auf die
von diesem gewählten Ausdrücke "unwissenschaftliches" Agieren vor.
Eine vom Deutschen monierte Transkription des Textes werde derzeit
erstellt, so Ziegler.
"Mythische Aura"
Ziegler bekräftigte ihre umstrittene Datierung der Fragmente um
1200. Bisher habe es vom Nibelungentext nur schriftliche
Aufzeichnungen nach dem Jahr 1220 gegeben. Nach Heinzles Darstellung
zeige die Schriftform jedoch eindeutig, dass die Dokumente im 13.
Jahrhundert entstanden sind: "Selbst bei äußerster Vorsicht kann man
indes mit Sicherheit sagen, dass die Zwettler Bruchstücke nicht ins
12. und auch nicht an den Beginn des 13. Jahrhunderts gehören." Dass
die vermeintliche Nibelungen-Sensation "ungeprüft eine weltweite
Hysterie" entfachen konnte, führt der Wissenschafter auf die
"mythische Aura" zurück, die die Heldensage noch immer umgebe. (APA/dpa)
Forum:
Ihre Meinung zählt.
Die Kommentare im Forum geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder.
Die Redaktion behält sich vor, Kommentare, welche straf- oder zivilrechtliche Normen verletzen,
den guten Sitten widersprechen oder sonst dem Ansehen des Mediums zuwiderlaufen
(siehe ausführliche Forenregeln),
zu entfernen. Benutzer:innen können diesfalls keine Ansprüche stellen.
Weiters behält sich die STANDARD Verlagsgesellschaft m.b.H. vor, Schadenersatzansprüche
geltend zu machen und strafrechtlich relevante Tatbestände zur Anzeige zu bringen.