Auch in Spanien, eigentlich bekannt für große Familien, entwickelt sich die Geburtenrate rückläufig. Erstmals seit 1998 sank 2012 die Einwohnerzahl um 206.000 auf 47,05 Millionen. Heute bekommt eine Spanierin nur mehr 1,36 Kinder, und das erst ab dem Alter von 31,5 Jahren.

Schon Ex-Premier José Zapatero führte eine Geburtenprämie von 2.500 Euro ein, die er selbst jedoch wieder dem Sparkurs opferte. Was blieb, sind ein Steuernachlass im Jahr der Geburt sowie 1.200 Euro jährlich für Alleinerzieherinnen bis zum dritten Lebensjahr des Kindes.

Gänzliches Verbot diskutiert

Jetzt steuert Spanien erneut auf Gegenreformkurs: Seit Beginn der Legislaturperiode steht fest, dass der rechtskonservative Partido Popular (PP) die Fristenlösung abschaffen wird. Das Justizministerium unter Alberto Ruíz Gallardón wollte noch vor dem Sommer die unter dem sozialistischen Zapatero 2010 legalisierte Abtreibung wieder weitaus restriktiver gestalten. Doch noch herrscht volksparteiintern ein Zerwürfnis, ob man nicht auch bei diagnostizierter Missbildung des Fötus dessen Abtreibung verbieten müsse.

Zapatero hatte Abtreibungen bis zur 14. Woche legalisiert und gab die "Pille danach" frei. Zum Vergleich: In Österreich kann eine Schwangerschaft innerhalb der ersten drei Monate legal abgebrochen werden, unter bestimmten Umständen auch später. Die "Pille danach" ist seit Ende 2009 rezeptfrei erhältlich. Eine politische Debatte gibt es darüber derzeit nicht.

Bischofskonferenz diskutiert mit

Anders in Spanien, wo sich kürzlich auch die Bischofskonferenz eingeschaltet und Premier Mariano Rajoy dazu aufgefordert hat, "sich des Themas endlich anzunehmen". Frauenrechtlerinnen reagierten empört: "Wer abtreiben will, wird in Zukunft ins Flugzeug steigen müssen oder den Eingriff illegal vornehmen", warnt Purificación Causapié, Gleichstellungsbeauftragte der Sozialisten.

Frauenrechtspionierin Ana Maria Pérez del Campo vom "Verein getrennter und geschiedener Frauen" beklagt, dass "in Spanien die Kirche so stark ist wie der Islam in islamistischen Staaten". Die Burka der Spanierinnen sei, dass man sie nicht selbst über Mutterschaft entscheiden lässt: "Gallardón will Frauen das Rollenbild der 1960er-Jahre auferlegen: zurück zu Familie und Herd."

Abtreibung mit ETA verglichen

Zugleich mehren sich Forderungen ultrakonservativer Pro-Life-Gruppen sowie der Hardliner des PP selbst, das Verbot strikter zu gestalten. "Die Abtreibung hat etwas mit der ETA gemein", sagte gar Innenminister Jorge Fernández Díaz. Das "Forum für Familie" will Ärzte zur Rechenschaft gezwungen sehen, die Straffreiheit für Frauen soll jedoch bleiben.

Vor Zapatero waren Abtreibungen strafbar, außer im Fall einer Missbildung, nach Vergewaltigungen oder "bei psychischer oder physischer Gefährdung der Frau durch die Schwangerschaft". Zu diesem Modell will nun auch Gallardón zurückkehren. (Jan Marot, DER STANDARD, 27.5.2013)