In Ländern ohne gesetzliches Prostitutionsverbot wird Menschenhandel durchschnittlich in einem größeren Umfang registriert als in Ländern, in denen die Prostitution verboten ist. Das ist das zentrale Ergebnis einer statistischen Querschnittsanalyse, in der die Folgen von legalem käuflichem Sex dokumentiert werden.

"Unsere Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass sich Länder, in denen Prostitution gesetzlich erlaubt ist, stärker im Fokus von Menschenhändlern befinden", erläutert Axel Dreher vom Alfred-Weber-Institut für Wirtschaftswissenschaften der Universität Heidelberg, der die Studie zusammen mit zwei KollegInnen in der Fachzeitschrift "World Development" veröffentlichte.

Lukrativer Wirtschaftszweig

Der Menschenhandel zählt den Vereinten Nationen zufolge zu den lukrativsten und weltweit am schnellsten wachsenden kriminellen Wirtschaftszweigen. Die große Mehrzahl der Opfer sind Frauen und Mädchen, die in den Zielländern zur Arbeit in der Sex-Industrie gezwungen werden. Die WissenschaftlerInnen aus Heidelberg, London und Marburg wollten mit ihrer Analyse von fast 150 Ländern herausfinden, ob legale Prostitution - etwa in Deutschland oder Österreich - zu mehr oder zu weniger Menschenhandel in den betreffenden Ländern führt.

"Es wird oft angenommen, dass legaler käuflicher Sex den Menschenhandel reduzieren könnte, da dann mehr legal in einem Land lebende Prostituierte zur Verfügung stehen. Unsere Studie deutet jedoch auf das Gegenteil", erläutert Dreher in einer Aussendung. Einen möglichen Grund sehen die WissenschaftlerInnen darin, dass weniger strenge Prostitutionsgesetze zu einer Ausweitung der Prostitution führen, wodurch auch die Zahl der zwangsweise in diesem Land arbeitenden Prostituierten zunimmt. Legalisierung von Prostitution hat aber, der Studie zufolge, auch positive Effekte auf die Arbeitsbedingungen von Beschäftigten in der Sexindustrie.

Evaluierungsschwierigkeiten und Kritik

Eine der größten Schwierigkeiten von Forschungen zum Menschenhandel ist Dreher zufolge der Mangel an verlässlichen und vergleichbaren Daten. "Da sich diese Form moderner Sklaverei nur schwer dokumentieren lässt, ist die genaue Zahl der Opfer unbekannt und kann nur grob geschätzt werden", sagt er.

Das Problem zeigt sich besonders am Beispiel Schweden, wo der Vergleich besonders aussagekräftig gewesen werde. Das skandinavische Land hat seit 1999 eines der restriktivsten Prohibitionsgesetze im Bereich der Sexarbeit. Allerdings wurden zum Zeitpunkt der Gesetzeseinführung noch keine Daten zu Thema Menschenhandel in Schweden erhoben - somit kann die Auswirkung des Sexkaufverbots in Schweden auf den Menschenhandel in der Studie auch nicht festgestellt werden.

Auch der Heidelberger Wissenschaftler und seine KollegInnen sehen die Datenlage problematisch: für ihre statistische Querschnittsanalyse werteten sie einen Bericht der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2006 aus. Der "Report on Trafficking in Persons: Global Patterns" trägt Daten von 113 internationalen Organisationen sowie Regierungs- und Nicht-Regierungsorganisationen, Forschungseinrichtungen und den Medien zum Menschenhandel in 161 Ländern zusammen. Kritik an der Datenlage der Studie übte auch LEFÖ-IBF: Die lückenhafte Datenlage schränke die Aussagekraft enorm ein, hieß es. Um Aussagen über den Zusammenhang von liberalen Prostitutionsgesetzen und Menschenhandel treffen zu können,  müsste eine Panelstudie durchgeführt werden, die unterschiedliche Zeitpunkte - etwa vor und nach Einführung eines Prostitutionsverbots - berücksichtigt, erläuterte die Opferschutzeinrichtung für Betroffene von Frauenhandel. (red, dieStandard.at, 27.5.2013)