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Männer denken auch deshalb etwas häufiger an Sex als Frauen, weil sie stärker optisch orientiert sind und daher schneller auf weibliche Reize reagieren, meint Sexualwissenschaftler Kurt Seikowski.

Foto: Reuters/Jason Reed

Männer und der Sex. Alle sieben Sekunden beschäftigen sie sich mit der schönsten Nebensache der Welt. Angeblich, denn diese Mär hält sich seit Jahren hartnäckig. "Es gibt keine Beweise dafür, das wurde irgendwann einmal behauptet und von allen übernommen", sagt der Sexualwissenschaftler Kurt Seikowski.

Wer sich auf Spurensuche begibt, wird diesen Mythos wissenschaftlich schwer bestätigen können: Laut Seikowski gibt es keine seriöse Studie, die diese Behauptung untermauert. Umgekehrt findet sich auch kaum eine Untersuchung, die den Sieben-Sekunden-Mythos widerlegt. "Solche Untersuchungen können nur in Form von Befragungen durchgeführt werden, und da gibt es einfach viele Verzerrungen, daher werden sie selten umgesetzt", sagt Seikowski.

Eine der am häufigsten zitierten Studien wurde vor einem Jahr veröffentlicht: Ein Forscherteam rund um die Psychologin Terri Fisher an der Ohio State University widerlegte den Sieben-Sekunden-Mythos. Die Studie beschäftigte sich aber nicht allein mit der körperlichen Liebe, sondern untersuchte parallel, wie oft auch an Essen und Schlafen gedacht wird, um einen Vergleich ziehen zu können. Daher wurden drei verschiedene Probandengruppen gebildet - sobald diese Gedanken zu den jeweiligen Grundbedürfnissen hatten, mussten sie einen Zähler betätigen. "An Sex denken" inkludierte Gedanken nach jeglicher sexuellen Aktivität, erotische Träume, sexuelle Erinnerungen und erregende Stimuli. Insgesamt nahmen 163 weibliche und 120 männliche Studierende zwischen 18 und 25 Jahren an der einwöchigen Untersuchung teil.

Biologische Grundbedürfnisse

Sex, Essen, Schlafen. Oder doch lieber: Essen, Sex, Schlafen? Ersteres, also Sex, wurde von den männlichen Studienteilnehmern bevorzugt, Essen von den weiblichen: Männer dachten im Schnitt täglich 19-mal an Sex, aber fast genauso häufig an Essen, nämlich 18-mal. Das leibliche Wohl ist also ebenso wichtig im Alltag wie körperliche Liebe. Das Bedürfnis nach Schlafen hatten die männlichen Probanden elfmal täglich. Frauen hingegen dachten in erster Linie an Essen - nämlich 15-mal - und dann erst an Sex (zehnmal). Gedanken rund um das Schlafen hatten die Probandinnen täglich etwa neunmal. Insgesamt denken also Männer laut dieser Studie häufiger an biologische Grundbedürfnisse als Frauen.

Die erhobenen Zahlen dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die sexuellen Gedanken individuell stark variieren: Die männlichen Probanden dachten zwischen ein- und 388-mal täglich an Sex - also an einem 16-Stunden-Tag maximal alle zwei bis drei Minuten -, die Frauen ein- bis 140-mal. Niemand gab jedoch an, am Tag kein einziges Mal an Sex zu denken.

Wie häufig an körperliche Liebe gedacht wird, ist laut Fisher nicht so sehr abhängig vom Geschlecht, sondern von anderen Variablen wie dem emotionalen Umgang mit der eigenen Sexualität. Die Vorurteile über die triebgesteuerten Männer müssten korrigiert werden, so die Psychologin. Das sei wichtig, damit Männer, die mit diesen Sexmythen konfrontiert würden, nicht glauben, dass etwas mit ihnen nicht stimme, weil sie nicht so oft an Sex denken. Umgekehrt könnten Sexmythen auch Frauen verunsichern, die überdurchschnittlich oft an Sex denken - etwas, das gesellschaftlich von Frauen nicht erwartet wird. "Es gibt keinen Grund dafür, dass in unserer Gesellschaft der Glaube verankert ist, Männer würden viel häufiger an Sex denken als Frauen. Auch sämtliche vorhergehenden Studien stützen keinesfalls dieses Vorurteil", sagt die Psychologin.

Körperliche Spannungen

Dass ausschließlich Männer an Sex denken, ist durch diese Studie also widerlegt. Dass sie doch etwas häufiger daran denken als Frauen, hat zwei Gründe. Nicht nur sind Männer laut Seikowski stärker optisch orientiert und reagieren daher schneller auf weibliche Reize - auch der "biologische Druck" sei ein anderer: Im Hoden werden alle zwei bis drei Tage einige hundert Millionen Samenzellen produziert, was zu Spannungen und zu Spontanerektionen führt. "Männer werden körperlich einfach stärker an Sex erinnert als Frauen", erklärt der Sexualwissenschaftler. (Sophie Niedenzu, derStandard.at, 28.5.2013)