Noch sind es lebende Quallen - wenn sie sterben, sinken sie als gelatinöses Plankton auf den Meeresboden. Und das mit bemerkenswert hohem Tempo.

Foto: Veronica Fuentes

Kiel - Die Ozeane nehmen Schätzungen zufolge etwa 25 Prozent des durch menschliche Aktivitäten freigesetzten Kohlendioxids auf. Millionen mikroskopisch kleiner Plankton-Organismen verwandeln im Meerwasser gelöstes Kohlendioxid durch Photosynthese in organischen Kohlenstoff und anderes biologisch verwertbares Material. Dieses Plankton dient einer großen Zahl von Tieren als Nahrung - und ein Teil davon fungiert später gewissermaßen als Lastenaufzug in die Tiefsee, wie das Kieler Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung (GEOMAR) berichtet.

Verschiedene Quallenarten und im freien Wasser schwimmende Manteltiere wie die zylindrisch geformten Salpen gehören zu solchen Plankton fressenden Spezies. Wenn sie am Ende ihres Lebens zum Meeresboden sinken, nehmen sie Kohlenstoff mit hinab, speichern ihn in der Tiefe oder geben ihn in den dortigen Tiefsee-Ökosystemen als Nahrung weiter. So kann sich in den oberen Schichten neues CO2 lösen. Darüber hinaus bauen kalkbildende Organismen anorganischen Kohlenstoff in ihren Kalkschalen ein und unterstützen damit den Abbau.

Schnellaufzug

Um die Effizienz dieser "biologischen Kohlenstoffpumpe" einschätzen zu können, muss aber geklärt werden, wie schnell die Tiere den Kohlenstoff aus den oberen Meeresschichten abtransportieren. In Feld- und Laborexperimente galt es also, die Sink-Geschwindigkeiten für die gelatinösen Überreste toter Quallen und Manteltiere zu berechnen.

Wie die Forscher in der Fachzeitschrift "Limnology and Oceanography" berichten, ist diese Geschwindigkeit überraschend hoch. "Etwa 500 bis 1.600 Meter pro Tag", sagt der Kieler Ozeanograph Mario Lebrato. Auf Festlandsockeln und in Hanglagen kann Biomasse den Meeresboden somit innerhalb eines Tages oder noch zügiger erreichen. Nicht-kalkbildendes Phytoplankton und sogenannter Meeresschnee (Partikel, die sich aus winzigen Ausscheidungen und abgestorbenen Algen zusammensetzen) sind als bedeutende Kohlenstoff-Transporteure bereits bekannt; beide sind aber langsamer in die Tiefe unterwegs.

Sollen wir auf mehr Quallen hoffen?

Durch das schnelle Sinken der tierischen Überreste erreicht die Biomasse die Tiefe, ohne weiter zersetzt zu werden - das geschieht erst am Meeresboden. Für die dort lebenden Organismen bedeutet dies hochwertigere Nahrung. Für den Kohlenstoffkreislauf ist aber vor allem von Bedeutung, dass dadurch CO2 am Boden ohne Kontakt zur Atmosphäre über Jahrtausende hinweg gespeichert werden kann.

Der Gedanke drängt sich auf, dass größere Quallenpopulationen den Kohlenstofftransport in die Tiefe verstärken würden - ein Effekt, der sich letztendlich vielleicht gar als Klimaschutzmaßnahme nutzen ließe. Dafür ist es aber noch viel zu früh: Lebrato verweist darauf, dass die Rolle von Quallen und Manteltieren im Kohlenstoffkreislauf bislang ignoriert wurde und entsprechende Forschungen daher noch ganz am Anfang stünden. (red, derStandard.at, 29. 5. 2013)