Durchaus freundlich, die Würze aus Dill und Safranmayo fürs kunstvoll drapierte Carpaccio von Lachs und Seeteufel.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Das auf gefinkelte Art verschnörkelte Interieur des Wiener Salon wurde gegen nüchterne Einrichtung im Ikea-Stil getauscht, mit einer Flipchart-Grafik als Deko.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Als der Wiener Salon von Architekt Felix Strasser und dem autodidaktischen Spitzenkoch Sven Bader vor Jahren auf der Stubenbastei eröffnete, blies urplötzlich eine frische Brise durch die Lokalszene.

Komplett offene Küche, raffiniert verspieltes, barockisierendes Setting, ebenso aufwändige wie persönlich gefärbte Gerichte und die Entschlossenheit, alles nur so zu machen, dass es zuerst einmal den beiden gefalle: Einen derart individualistischen, im eigentlichen Sinn amateurhaften Zugang zum guten Essen hatte Wien zuvor kaum gekannt. 

"Ein Lokal für sich selbst"

Einige Jahre und mehrere Hauben später wurde ihnen das offenbar zu fad, sie kauften ein Haus im Weinviertel (Strassergut), kultivierten fortan einen prächtigen Gemüse- und Obstgarten und bitten zu Kochkursen und Private-Dining-Events im kunstvoll verlebten Rahmen ihrer neuen Bleibe.

Der einstige Salon aber gehört nun einem Werbeagenturboss, der sich "ein Lokal für sich selbst" wünschte und es vielleicht deshalb mit Großgrafiken ausdekorierte, die wie aus der Form geratene Flipchart-Skizzen aussehen.

Was da und auf der hoffnungslos zugetexteten Speisekarte kommuniziert werden soll, ist im Zweifel nicht wirklich wichtig, es hat jedenfalls (wie oft in dieser Branche) mit schamlos ambitionierten Glücksversprechen zu tun. Falls es wirklich wen interessiert - viel Kauen und wenig Kohlenhydrate scheinen eine Rolle zu spielen. Wie auch immer: Ist doch schön, wenn einer so im Job aufgeht, dass er sogar in der Freizeit nur mit Bürokram umgeben sein will.

So etwas wie Glücksgefühle

Das Essen schlägt sich in diesem Kontext recht wacker. Carpaccio von Lachs und Seeteufel ist zwar in der Hauptsache dünn geschnitten und kunstvoll drapiert, die Würze aus Dill und Safranmayo (siehe Bild) macht sich aber durchaus freundlich.

Ein bisserl mehr hätte es freilich schon sein dürfen - sonst ist man gar so schnell fertig, während das Gegenüber sich noch des Längeren über einen tiefen Napf aus Kichererbsen-Cremesuppe mit ordentlich Joghurt, Zitrone und Minze beugen muss.

Scharf gebratene Makrelenfilets vermitteln in Kombination mit knackigem Fenchel durchaus so etwas wie Glücksgefühle, das Gröstl aus Hartgummi-Oktopus, Süßkartoffeln und richtig runzeligen Tiefkühlerbsen hingegen wird nur ausgewiesene Holzgaumen zu erfreuen wissen.

Dass der warme Schokokuchen in exakt jenem Glasbehältnis zu Tisch kommt, das er schon im Spar-Regal ausfüllen durfte, zeugt freilich von einer übertrieben wagemutigen Lust an der Frechheit. Gü? (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 31.5.2013)