Wien - Eine Mutation des p53-Gens entscheidet über den Nutzen oder auch Schaden einer Chemotherapie bei Krebsbehandlungen. - Dieses Ergebnis wurde am Mittwoch im Rahmen des 54. Österreichischen Chirurgenkongresses in Wien vorgestellt.
Häufig angewandte Krebstherapien seien bei Patienten mit normalem Status des p53 Tumor-Surpressor-Gens (TP53) wesentlich wirksamer als bisher angenommen, erklärte Studienleiterin Daniela Kandioler von der Universitätsklinik für Chirurgie an der Medizinischen Universität Wien. - Das zeigte eine aktuelle Studie der MedUni, an der 76 Patienten mit kolorektalen Lebermetastasen teilgenommen hatten. Alle Patienten befanden sich im gleichen operablen Tumorstadium und wurden entweder nur operativ oder zusätzlich mit einer präoperativen Standard-Chemotherapie behandelt.
Effizienz steigern und Risiko reduzieren
Bei Patienten, die sich einer Operation ohne Chemotherapie unterzogen, war das Überleben trotz unterschiedlichem Markerstatus gleich. Wurden die Studienteilnehmer allerdings mit Chemotherapie behandelt, zeigten sich je nach Mutationsstatus deutliche Unterschiede: Bei Patienten mit mutiertem p53-Gen war das Mortalitätsrisiko um das Fünffache erhöht. Nach fünf Jahren betrug ihre Überlebensrate nur 22 Prozent - im Vergleich dazu überlebten bei den Patienten mit "normalem" Gen 60 Prozent.
"Durch das Verfahrens kann einerseits die Effizienz von Krebstherapien gesteigert und gleichzeitig auch das Risiko für den Patienten reduziert werden", hofft Kandioler. Denn ähnliche Ergebnisse lieferte auch eine Studie mit Patienten mit Speiseröhrenkrebs: Probanden mit normalem p53-Gen überlebten bei gleicher Behandlung im Schnitt um 1,5 Jahre länger als Probanden mit mutiertem Gen. Diesen Patienten schadete die Therapie sogar: "Auch hier bestätigte sich, dass die Chemotherapie bei mutiertem Marker-Status eindeutig kontraproduktiv ist", berichtet die Medizinerin. Denn das Gen bestimmt, ob Tumorgewebe angegriffen wird oder auch normale Zellen in den "programmierten Zelltod" getrieben werden. Eine Mutation des p53-Gens wurde bei 50 Prozent der Patienten festgestellt.
"Hälfte aller Patienten sinnlos bestrahlt"
Diese neue Selektionsmöglichkeit sei vor allem auch einem neuen - hoch sensitiven - Gensequenzierungsverfahren zu verdanken. Getestet wird die DNA des Tumors - diese kann bereits mit einer minimalen Nadelbiopsie entnommen werden. Der Test ist standardisiert und kostet rund 900 Euro. "Der nächste Schritt ist sicherlich die breite klinische Anwendung", so die Expertin. Bisher seien viele verschiedene Markertests verwendet worden, die zum Teil ungenaue Ergebnisse lieferten.
Bis jetzt wurden vor allem Speiseröhren-Krebs, Lebermetastasen und Dickdarmkrebs in Studien getestet - allerdings geht Kandioler davon aus, dass der Marker bei allen Krebsarten wirksam ist, wenn auch in unterschiedlicher Häufigkeit. Bei Brustkrebs rechnen Experten etwa mit 15 bis 20 Prozent Patienten mit mutiertem Gen-Status. In Zukunft könnte das nicht nur bei Chemotherapie, sondern auch bei Strahlentherapie relevant werden: Bei Enddarm-Krebs weisen im Durchschnitt 50 Prozent der Patienten eine Mutation auf. Das könnte bedeuten, dass bisher "die Hälfte aller Patienten sinnlos bestrahlt wurden", sagt Kandioler. (APA/red, derStandard.at, 29.5.2013)