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Mathias Poledna stellt in Venedig einen Trickfilm aus, wo ein Esel durch den Wald läuft

Foto: APA/MATHIAS POLEDNA

Wenn man die Biennale von Venedig besucht hat man hohe Erwartungen. Nicht nur um die Güte der Kunst geht es, um die Suche nach Inspiration und Esprit, sondern auch um die Frage danach, was die höchsten Weihen unserer zeitgenössischen Kreativwelt an "Zeitgeist" reflektieren. Was greifen Künstler für Strömungen auf? Was sind ihre Impulse? Was reflektieren Sie über die Gesellschaft?

Aus Sicht einer an Technik interessierten Wirtschaftswissenschaftlerin und gesellschaftspolitisch Hinterfragenden interessiert mich natürlich besonders, was die Kunst hiervon aufgreift. Spielt die uns immer mehr umzingelnde Technikwelt eine Rolle?  Wenn ja, welche? Darf man auf Kritisches hoffen? Findet sie überhaupt einen Eingang in die Reflektionen?

Nein, es ist eigenartig aber auch beeindruckend wie hier eine komplette Parallelwelt besteht. Egal wie man sich bemüht, einen Spiegel unserer kühlen Realitäten zu finden; die Biennalekünstler scheinen in 2013 nach nichts zu suchen, als dem Mensch selbst und dem Ursprung des Seins.

Chefkurator Massimilioano Gioni stellt 56 Tafelbilder von Rudolf Steiner in den Mittelpunkt seiner Encyclopedic Palace Ausstellung im Giardini, umgeben von James Lee Byars Goldmonolithen und Aleister Crowly und Frieda Harris Tarotkarten.

Im belgischen Pavillon liegt ein verletzter Baum. Im Arsenale spiegelt sich das Ganze bei den Zeitgenossen wie etwa Hans Josephsons übergroßen Tongebilden.

Nicht wenige Werke greifen auch die Suche nach der Religion und die Traurigkeit um deren Verfall auf. So finden sich im polnischen Pavillon nichts als zwei unheimlich schallende Kirchenglocken, die zu dem Titel "Everything Was Forever Until It Was No More" den Untergang der Kirche warnend zu beläuten scheinen.

Einzige Ausnahme von diesen esoterisch christlich sehnsüchtigen Positionen bilden die Chinesen. Einen unglaublich beeindruckenden Pavillon hat Wang Chunchen mit dem Titel "Transfiguration" geschaffen. Wieder einmal spürt man fast schon beängstigend die Kraft und den Realitätssinn dieses aufstrebenden Volkes.

Der österreichische Beitrag verdünnisiert sich im Gegensatz dazu komplett aus der Gegenwart. Mathias Poledna stellt einen Trickfilm aus, wo ein Esel durch den Wald läuft und man nicht weiß, warum man auf die Biennale fahren muss um Walt Disney wiederzutreffen. Aber letztlich liegt der Landsmann mit seiner Sehnsucht nach den 30er Jahren wohl selbst nicht so weit weg von seinen Kollegen, die sich allesamt eben von der harten Realität der Gegenwart zu verabschieden scheinen wollen.

Aus Sicht der ethischen Maschine ist dieser Biennale Kunstreflektor der Gesellschaft ein interessanter und doch schöner Spiegel, denn was er uns zeigt ist die Sehnsucht der Gesellschaft nach all jenem, was jenseits von rasenden Bits und Bytes existiert, nach dem Ursprünglichen, dem Wahrhaftigem, sogar dem Übersinnlichen. Wenn die Technikwelt diese Sehnsucht nicht bedient, wird sie es nur in die Beherrschung der Zeit, nicht aber in den Zeitgeist schaffen. (Sahra Spiekermann, derStandard.at, 31.5.2013)