Sebastian Enrique: Der Argentinier arbeitet bei EA Canada und leitet die Produktion von "FIFA 14".

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Sebastian Enrique ist Produzent sowie einer der Gamedesigner für "FIFA 14" bei EA Canada. Beim Hands-on-Termin in Köln nahm er die Präsentation vor und stand dem GameStandard anschließend in einem kurzen Interview Rede und Antwort.

GameStandard: Wie wichtig ist Realismus in Sachen Gamedesign? Wie weit muss man die Spielmechanik anpassen, um ein unterhaltsames Spiel zu liefern, das sich trotzdem realistisch anfühlt?

Sebastian Enrique: Das gehört zu den sehr schwierigen Dingen, aber es ist das, was wir tun. Wir versuchen die Grenzen auszuweiten, um eine glaubwürdige und realistische Fußballerfahrung zu schaffen, die gleichzeitig Spaß macht. Dazu müssen wir uns von Fall zu Fall ansehen, wie weit wir gehen können. Wir haben zum Beispiel festgestellt, dass ein Fußballspieler in einem echten Match durchschnittlich fünf Sekunden braucht, um aus dem Stand in vollen Sprint überzugehen. Wenn man diesen Zeitraum eins zu eins in "FIFA" umsetzt, ruiniert es das Spiel komplett. Es geht also immer darum, eine gute Balance zu finden.

GameStandard: Es gibt in "FIFA 14" wieder neue Möglichkeiten zur Spieler- und Ballkontrolle, auch in vorherigen "FIFA"-Ausgaben wurden immer wieder neue Steuerungsmöglichkeiten eingeführt. Wie weit kann man mit der Komplexität der Steuerung gehen, ohne die Spieler zu überfordern?

Enrique: Das ist eine gute Frage. Wir haben dafür eine Möglichkeit namens "Two Buttons Control" eingeführt. Dabei verwendet der Spieler nur noch eine Schuss- und eine Pass-Taste, und die künstliche Intelligenz legt beispielsweise fest, ob der Ball bei einem Pass nun flach gespielt wird oder der Spieler eine Flanke schlägt. Wir arbeiten auch daran, die bestehenden Steuerungsmöglichkeiten zu vereinfachen. Für "Protect the Ball" haben wir zahlreiche Tests mit verschiedenen Controllern vorgenommen und herausgefunden, dass es intuitiver ist, den linken Trigger als Modifikator dafür zu verwenden. Dafür benötigen die Skill Moves nun keinen Modifikator mehr. Es geht immer darum, die richtige Kombination zu finden, die sich intuitiv anfühlt. Wir machen ein Spiel für eine große Bandbreite an Spielern in Sachen Alter, Herkunft und Konsumverhalten, und wir versuchen, jeden zufriedenzustellen.

GameStandard: Wie ist Ihre Position bezüglich der Einführung von Frauenfußball in "FIFA"?

Enrique: Das ist etwas, das wir in der Vergangenheit schon diskutiert haben. Ich fände es verlockend und interessant, jedoch ist es momentan nicht Teil unserer Pläne. Aber schauen wir einmal, was die Zukunft bringt.

GameStandard: Sollte Frauenfußball irgendwann in "FIFA" eingeführt werden, denken Sie, dass dafür spielerische Änderungen notwendig sind, um den unterschiedlichen Spielstil abzubilden?

Enrique: Ich denke nicht, dass man an der Spielmechanik generell etwas ändern müsste. Man müsste vermutlich aufgrund der physiologischen Unterschiede mehr an den Spielerattributen schrauben.

GameStandard: Werden in künftigen Ausgaben der Reihe neue Steuergeräte unterstützt werden? Beispielsweise um den Spieler mit dem integrierten Kinect der Xbox One Elfmeter ausführen zu lassen ...

Enrique: Ich kann nichts zur kommenden Xbox One sagen. Was Kinect und die aktuelle Xbox angeht, wird alles beim Alten bleiben.

GameStandard: Wie wichtig ist die Rivalität mit Konami und deren "Pro Evolution Soccer"-Reihe? Lernt man voneinander?

Enrique: Was das angeht - ich habe nicht das Gefühl, dass die Konami-Entwickler meine Rivalen sind. Ich habe großen Respekt vor Konami als Entwicklerstudio und dem Spiel, das sie machen. Es ist ein gutes Game. Ich lerne davon, wie ich auch von jedem anderen Spiel gute und schlechte Sachen mitnehme. Ich lerne nicht nur von Konami oder "PES", sondern genauso von "Grand Theft Auto", "Call of Duty" oder "Battlefield". Als Spieleentwickler und Spieledesigner versuche ich die unterschiedlichen Mechaniken zu erkennen, die Umsetzung bestimmter Dinge zu beobachten oder herauszufinden, was man hätte besser machen können. Das hinterlässt Ideen, die man in eigene Entwicklungen einfließen lassen kann.

GameStandard: Würden Sie sagen, dass die Existenz eines zweiten großen Players im Feld der Fußballsimulationen förderlich für die Innovation im Genre ist?

Enrique: Ich denke, Innovation kommt von den Menschen, die in unserem Team arbeiten. Wir haben eine Liste von Dingen, die wir versuchen oder erforschen wollen. Dazu schauen wir auch eine Menge Fußballspiele an, was uns eine Menge Ideen bringt. Wir stellen diese der Community vor und werten dann das Feedback aus. Es ist ein bisschen seltsam. Manchmal entwickelt sich Innovation aus einem geplanten Prozess, manchmal ist sie einfach da, weil jemand einen spontanen Einfall hat.

GameStandard: Jahr für Jahr werden "FIFA" und "PES" in den Medien aneinander gemessen. Lassen sich beide Serien so direkt miteinander vergleichen?

Enrique: Beides sind Fußballspiele, also ist es klar, dass Vergleiche gezogen werden. Wenn man als Konsument nur das Geld hat, um einen der beiden Titel zu kaufen, wird man sie natürlich gegenüberstellen, um herauszufinden, welcher einem besser gefällt.

GameStandard: Konami veröffentlicht mittlerweile zwei Demoversionen, um mehr Last-Minute-Feedback für finales Finetuning zu sammeln. Ist das etwas, worüber man bei EA auch nachdenkt?

Enrique: Nicht, dass ich wüsste. Wir machen über das ganze Jahr eine Menge Playtests mit unterschiedlichen Spielern und nicht nur Entwicklern. Diese geben uns Feedback, das wir in die Entwicklung einbeziehen.

GameStandard: Gibt es eine größere Vision für die "FIFA"-Reihe? Wie könnte Ihrer Meinung nach "FIFA 20" aussehen, wenn Sie es genau so umsetzen könnten, wie Sie wollten?

Enrique: Ich habe schon eine Vision für das Spiel, aber die werde ich für mich behalten, weil ich nicht weiß, ob ich sie werde umsetzen können oder nicht. Wir gehen natürlich in eine bestimmte Richtung, die ist aber nicht in Stein gemeißelt und wird jedes Jahr überprüft. Die Dinge verändern sich ja im Lauf der Zeit.

GameStandard: Denken Sie, wir werden "FIFA" im Jahr 2020 noch auf Controllern spielen, oder rechnen Sie damit, dass sich andere Steuerungsformen durchsetzen werden?

Enrique: Ich weiß nicht. Vielleicht spielen wir dann ja auf Holo-Decks wie in "Star Trek".

GameStandard: Würden Sie "FIFA" gerne auf einem Holo-Deck spielen?

Enrique: Na ja, wenn ich es mir aussuchen kann, gehe ich lieber auf den echten Rasen und Spiele ein Match mit Freunden. (Georg Pichler, derStandard.at, 6.6.2013)