Dietmar Millonig 2013, bei Nike zuständig fürs Sportmarketing.

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Wien - Wenn Dietmar Millonig, seit Samstag 58 Jahre alt, auf der Autobahn unterwegs ist, kommen ihm mitunter sehr spezielle Gedanken. "25 Kilometer können sich ganz schön ziehen. Und dann denk ich daran, wie oft ich 25 Kilometer im Training gelaufen bin." Millonig erzählt das hoch über Wien, im 16. Stock des Ares Tower, wo er sein Büro hat bei Nike Österreich.

Naturgemäß läuft er noch immer, aber nicht mehr so schnell und so lang und so oft, wie er das in seiner Sportlerkarriere zu tun pflegte. "So drei- bis viermal die Woche, eher langsam, zwischen sieben und zehn Kilometer, gerade das, was gesund ist." Und dass es gesund ist, steht außer Frage. "Ich bin jetzt seit 23 Jahren in der Firma und hab zwei Krankenstandstage gehabt."

Durch Wien zu laufen ist längst salonfähig. Durch Villach, wo Millonig am 1. Juni 1955 auf die Welt gekommen ist, natürlich auch. Das war aber nicht immer so. "Ich bin am Anfang heimlich gelaufen, oft im Dunkeln. Es ist nämlich immer wieder passiert, dass mir die Leute nachgerufen haben: ,Was machst denn du da? Geh g'scheiter was arbeiten!'" Ihm, Milloning, war das "aber im Prinzip wurscht. Es hat mich sogar bestärkt." Und zwar darin, seinem Traum nachzulaufen: "Mit 16 war mir klar: Ich will zu Olympischen Spielen." Es war die Zeit, erzählt Millonig, als die Jugendlichen die Wahl hatten, entweder ins Gasthaus zu gehen oder zum Sport. "Mich hat es zum Sport gezogen." Im Winter spielte er, wie es sich für einen Kärntner Buben gehörte, zwei Stunden täglich Eishockey, im Sommer Fußball.

Und irgendwann kam er drauf, dass seine Stärke im Dauerlauf lag. "Schnell war ich nicht. Mit meinen 1,69 war ich auch nicht für Weitsprung oder Hochsprung geeignet. Doch umso länger die Strecke war, desto besser bin ich geworden."

Millonig trainierte zunächst beim ASKÖ Villach, sein um acht Jahre älterer Bruder Hubert, der noch Generationen von Langstreckenläufern begleiten sollte, machte den Coach. Die Familie war nicht wohlhabend, der Papa Eisenbahner, die Mama Hausfrau. Als Dietmar Millonig die ersten Nachwuchsrennen gewann, kam er so richtig auf den Geschmack. "Ich hatte Spaß am Gewinnen." Daheim bei den Millonigs entstand so was wie der Treffpunkt der Gleichgesinnten, "zum Leidwesen meiner Mutter".

1973, als der Kärntner nach Wien zum Bundesheer kam, wurde der Sport zum Beruf. Er rückte in die Heeressport- und Nahkampfschule (HSNS) ein, die Vorläuferin des Heeressportzentrums. In der Maria-Theresien-Kaserne lernte Millonig die Kicker Herbert Prohaska, Ernst Baumeister und Fritz Drazan kennen, die es 1978 mit der Wiener Austria bis ins Finale des mittlerweile verblichenen Europacups der Cupsieger schafften, um dort gegen Anderlecht mit 0:4 zu verlieren.

Millonig war auf der Bahn auf Distanzen zwischen 1000 und 10.000 Meter unterwegs, auf der Straße und im Gelände, sollte unzählige österreichische Rekorde brechen. "Wir waren eine homogene Trainingsgruppe", erzählt er. Dazu gehörten Wolfgang Konrad, der heute den Wien Marathon organisiert, Robert Nemeth und der Schweizer Markus Ryffel.

Und bald war Millonig klar, "dass ich raus muss aus dem kleinen Land". Meist war er mit Ryffel unterwegs, in Neuseeland oder in den USA. "Wir sind im Dezember abgehaut und im März wiedergekommen. Wir haben viele Leute gekannt vom Sport, immer privat gewohnt, nie in Hotels. Das war eine herrliche Zeit."

Es war auch eine herrliche Zeit damals für die Leichtathletik. "Die Stadien waren voll, und sogar am Biertisch hat man über Carl Lewis oder Sebastian Coe gesprochen." Und er, Millonig, sei wahrscheinlich der erste Leichtathlet in Österreich gewesen, der vom Sport "sehr gut leben konnte. Es hat gute Startgelder und Prämien gegeben".

Der Job hatte es naturgemäß in sich. Millonig hat die Erdkugel quasi oft umrundet, rechnet man die 8000 bis 10.000 Kilometer zusammen, die er jährlich gelaufen ist 22 Jahre lang. "Manchmal", erinnert er sich, "hab ich mich beim Laufen gefühlt wie ein Engel, so leicht ist alles gegangen." Manchmal freilich waren die Gefühle nicht so super.

Triumph in Madrid

Millonig rannte mit in der europäischen Spitze, qualifizierte sich für die Olympischen Spiele 1980 in Moskau, wurde dort Sechster über 5000 Meter. "Von der Qualität her war das mein größter Erfolg." Nominell sei das der Hallen-EM-Titel gewesen. 1986 und in Madrid gewann er Gold über 3000 Meter. Die einzige gröbere Verletzung seiner langen Karriere, ein lädiertes Sakralgelenk, kostete ihn die Teilnahme an den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles. Und er musste zuschauen, wie sein Trainingspartner Markus Ryffel Silber über 5000 Meter gewann. 1988 bei Olympia in Seoul kam Millonig nicht über den Vorlauf hinaus.

1993, da war er schon seit drei Jahren bei Nike beschäftigt, beendete er seine Karriere. Als Sportmarketing-Direktor war er dann für Slowenien, Kroatien, die Schweiz und Österreich zuständig. In der Firma gab es immer wieder Umstrukturierungen, derzeit ist er in Österreich unterwegs und hauptsächlich damit beschäftigt, Fußballer mit Schuhen auszurüsten. Beispielsweise hat er die Teamspieler Marko Arnautovic, Aleksandar Dragovic, Philipp Hosiner und Zlatko Junuzovic unter Vertrag. Viel Zeit verbringt Millonig mit Scouting, um Talente rechtzeitig zu entdecken, Arnautovic etwa war 17, als ihm Millonig Schuhe verpasste.

Herr und Frau Millonig sind in Mödling daheim, und die Töchter Julia (17) und Lena (15) sind eifrige Sportlerinnen. Julia ist auf der Mittelstrecke bereits mehrfache österreichische Meisterin. Mitunter läuft der Vater mit ihnen. "Aber nur, wenn sie es ganz langsam anlegen. Sonst komme ich nicht mehr mit." (Benno Zelsacher, DER STANDARD, 3.6.2013)