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Demonstranten in London machen gegen die von Großkonzernen wie Starbucks praktizierte Steuervermeidung mobil. Auch die Politik hat sich längst dem Kampf gegen Steuerschlupflöcher angenommen.

Foto: reuters/mac gregor luke

London - Im Streit um die Besteuerung globaler Firmen gerät in Großbritannien das allzu enge Verhältnis zwischen Politik, Finanzamt und großen Rechnungsprüfungsunternehmen ins Gerede. Der frühere Leiter der britischen Steuerbehörde HMRC, David Hartnett, hat jetzt beim Buchprüfer Deloitte angeheuert und damit einen Trend bestätigt: In den vergangenen zehn Jahren verdingten sich 16 frühere Minister und hohe Beamte bei einer der großen Steuerberaterfirmen wie KPMG und PwC. Die Firmen betätigten sich zudem als Großspender der drei wichtigsten Parteien im Unterhaus. Der Fall Hartnett sei "schockierend" und hinterlasse "einen bitteren Geschmack", empört sich die Labour-Abgeordnete Margaret Hodge, die den Buchprüfungsausschuss im Unterhaus leitet.

Legal, aber illegitim

Wie in Amerika und Kontinentaleuropa sind auch auf der Insel die Steuervermeidungspraktiken bekannter Konzerne wie Google, Apple oder Starbucks ins Zwielicht geraten. "Unternehmen wie Google haben die Pflicht, mehr zu tun als nur gerade eben das Recht einzuhalten", glaubt Labour-Oppositionsführer Edward Miliband.

Unterstützt werden die Konzerne bei ihrem Drahtseilakt zwischen Steuerbetrug und gerade noch legalen Buchführungstricks häufig von einem der vier weltweit tätigen Buchprüfer. PwC sowie Ernst&Young haben ihre Hauptquartiere auf der Insel, Deloitte ist in den USA ansässig, KPMG in den Niederlanden.

Big four

Die Niederlassungen dieser "vier Großen" waren in den vergangenen Jahren häufig Anlaufstelle für frühere Regierungsinsider auf Jobsuche. Zwei frühere Labour-Innenminister verdingten sich bei KPMG, wohin auch der Leiter von Premierminister David Camerons Grundsatzabteilung zurückkehrte. Ein früherer Berater des liberalen Vizepremiers Nick Clegg arbeitet jetzt für PwC.

Der Austausch zwischen Privatwirtschaft und öffentlichem Sektor sei für alle Beteiligten vorteilhaft und fruchtbar, argumentieren Befürworter dieses sogenannten Drehtürverfahrens. Sie verweisen zudem auf Einschränkungen, die den Betroffenen vom zuständigen Regierungsausschuss auferlegt werden können. So erhielt Hartnett die Genehmigung für den Deloitte-Job nur unter zwei Auflagen: Der 62-Jährige darf ein Jahr lang nicht direkt bei der Regierung lobbyieren und den Steuerbehörden anderer Staaten gegenüber keine Geheimnisse britischer Politik verraten.

Kritikern geht dies nicht weit genug. Hodge spricht von Arroganz und einem Mangel an Verständnis für mögliche Interessenkonflikte: "Es muss doch bessere Möglichkeiten geben, wie man ehrlich sein Geld verdient."

Fragliche Google-Praktiken

Hodge und ihr Ausschuss prangern das enge Interessengeflecht schon seit Jahren an. Zuletzt kritisierten sie Google für dessen Steuervermeidung. Lukrative Milliardendeals mit britischen Firmen wurden nominell im Niedrigsteuerland Irland verbucht; die britische Unternehmenssteuer lag deshalb 2011 bei lächerlichen 3,96 Millionen Euro. Das sei "unredlich und unethisch", finden die Parlamentarier.

Ähnlich stellte sich der Fall der Investmentbank Goldman Sachs dar. Lohnnebenkosten-Zahlungen wurden zwar nach langem Hin und Her beglichen, die damals noch von Hartnett geleitete HMRC machte aber keine Zinszahlungen geltend, wie bei jedem säumigen Steuerzahler üblich. " Unserem Eindruck nach werden große Unternehmen von der Behörde besser behandelt als andere Steuerzahler", meint Hodge. HMRC habe "übermäßig engen Kontakt" mit großen Unternehmen gepflegt und dadurch Rechtsbewusstsein und Steuergerechtigkeit gefährdet. (Sebastian Borger, DER STANDARD, 3.6.2013)