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STANDARD: Kann die Regierung Serbiens trotz Widerstands serbischer Führer im Nordkosovo das Abkommen mit Prishtina umsetzen?

Ivanovic: Ich habe die Vorsitzenden der serbischen Gemeinden im Nordkosovo aufgerufen, ihre politischen Ziele zu überdenken. Statt das Abkommen abzulehnen, sollten die im Kosovo lebenden Serben Garantien fordern, dass etwa Gesundheits- und Bildungswesen in serbischen Gemeinden im Kosovo in das serbische Staatssystem integriert werden und dass Arbeitsplätze nicht gestrichen werden. Das ist für uns lebenswichtig. Und die Grundlage dafür finden wir im Abkommen zwischen Belgrad und Prishtina und auch in der Verfassung des Kosovo.

STANDARD: Wo liegt dann das eigentliche Problem?

Ivanovic: Um den Plan wirklich umsetzen zu können, muss die Verwaltung des mit Prishtina vereinbarten Bundes serbischer Gemeinden gewählt werden. Die eigentliche bittere Pille für die Serben ist, dass sie aus diesem Grund an kosovarischen Kommunalwahlen teilnehmen werden müssen. Man interpretiert das als indirekte Anerkennung des Kosovo. Im Gegenzug bekommt aber der Bund serbischer Gemeinden beachtliche Befugnisse auch im Bereich der Polizei und der Justiz.

STANDARD: Um das Datum für Beitrittsverhandlungen mit der EU zu bekommen, muss Serbien mit der Umsetzung des Abkommens beginnen. Ist die Zeit nicht zu knapp?

Ivanovic: Belgrad hat schon mit der Umsetzung begonnen. Konsultationsgespräche mit lokalen Polizisten und Richtern wurden geführt, notwendige Gesetze über die territoriale Organisation der Gerichte könnten in Kürze verabschiedet werden. Der eigentliche Brocken wird die Implementierung der serbischen Selbstverwaltung sein, denn diese muss, wie schon gesagt, aus den vom Kosovo organisierten Kommunalwahlen hervorgehen. Wir brauchen eine große Wahlbeteiligung und dadurch eine glaubwürdige Legitimität der neu gewählten lokalen Behörden.

STANDARD: Wie ist die Stimmung unter den Serben im Kosovo?

Ivanovic: Das ist ein Leben an der Grenze zweier ethnischer Gemeinden, die verfeindet sind, keinen gegenseitigen Kontakt haben, unter denen großes Misstrauen herrscht. Die Serben sind ständigen politischen Druck ausgesetzt, leben in Ungewissheit, wissen nicht, was der nächste Tag bringen wird, sehen keinen Ausweg aus der sozialen und wirtschaftlichen Misere. Es gibt praktisch keinen Rechtsstaat, keine wirkliche Polizei, denn die Eulex (EU-Rechtsstaatsmission, Anm.) und die kosovarische Polizei sind in serbischen Gemeinden kaum präsent. Innenpolitisch sind sie zwar heterogen, aber unter dem Druck von außen handeln sie homogen. Wenn Menschen dermaßen hoffnungslos sind und sich bedroht fühlen, ist der Spielraum für destruktive Kräfte groß. (Andrej Ivanji, DER STANDARD, 3.6.2013)