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"Kämpft wie Männer!": Im Istanbuler Stadtteil Besiktas ist der politische Protest gegen die Regierung Erdogan eher zu einer Abrechnung junger Türken mit der Polizei geworden.

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Zusammenstöße in Ankara.

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Die Polizei setzte Wasserwerfer gegen Demonstranten nahe dem Büro des Premierministers in Istanbul ein.

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Polizei und Demonstranten in der Nacht auf Montag in Istanbul.

Foto: REUTERS/Murad Sezer

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Polizeieinsatz gegen Demonstranten am Sonntag in Ankara.

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Er ist weg, drei Tage von der Bühne, und überlässt seinen Parteileuten das Feld. Bevor Tayyip Erdogan am Montagmittag mit einer 300 Köpfe zählenden Wirtschaftsdelegation nach Marokko abfliegt, legt er sich bei einer Pressekonferenz auf dem Flughafen von Ankara noch mit den Journalisten an. Sie wollen wissen, was er von den Massenprotesten im Land hält. "Erzählen Sie mir nicht, dass die ganze Gesellschaft dahintersteht. Ich werde es nicht glauben", herrscht der türkische Regierungschef eine Reporterin der Nachrichtenagentur Reuters an. "Was hätten wir in diesem Land denn gemacht, dass es zu einem solchen Schritt gekommen wäre?"

Erdogan warf der Nachrichtenagentur vor, Desinformation zu betreiben. Zuvor hatte er schon die sozialen Medien, vor allem die Twitter- Schreiber, bezichtigt, Lügen über die Demonstrationen zu verbreiten. Die Oppositionspartei CHP - die säkularen Sozialdemokraten - stehe in Wirklichkeit hinter den Protesten, erklärte der Premier. Eine Beteiligung ausländischer Geheimdienste werde bereits untersucht.

Seit Beginn der Demonstrationen vor einer Woche, als Umweltschützer den Gezi-Park im Zentrum Istanbuls besetzten, um dessen Abholzung für eines von Erdogans Bauprojekten zu verhindern, informieren sich die Türken vor allem durch die Internetmedien über die Protestwelle im Land. Die großen Nachrichtensender beschränkten aus Rücksicht auf die Regierung die Berichterstattung. CNN-Türk hatte einen Pinguin-Film gezeigt, als vergangenen Samstag Zehntausende auf den Taksim-Platz geströmt waren. Am Montag machte NTV, ein anderer Nachrichtensender, eine Kehrtwende und zeigte Live-Bilder von einer Demonstration vor dem eigenen Fernsehgebäude in Istanbul. Mehr als 1000 Menschen hatten sich vor dem Eingang versammelt und wedelten mit 20-Lira-Scheinen. Der Sender sei käuflich, sollte das heißen.

Ungewiss ist, welche Entwicklung die Protestbewegung in der zweiten Woche nehmen wird. Ankara wurde in der Nacht auf Montag zum zweiten Brennpunkt der Proteste gegen die Regierung Erdogan. Beobachtern zufolge nahm die Polizei bis zum frühen Morgen 560 Demonstranten fest, unter ihnen auch ältere Frauen. Gewaltbereite Jugendliche warfen Steine auf die Polizisten und legten Feuer. Bereits am Nachmittag sammelten sich in Kizilay, im Geschäftszentrum der Hauptstadt, erneut Protestgruppen. Wasserwerfer blockierten die Straßen.

Proteste in 67 Städten

Zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei kam es auch am Kordon in Izmir, der Hafenpromenade der Vier-Millionen-Stadt. Das Innenministerium hatte Proteste in 67 Städten des Landes gezählt.

Besonders hart werden aber die nächtlichen Auseinandersetzungen im Istanbuler Stadtteil Besiktas vor dem Amtssitz des Premiers im Dolmabahçe-Palast geführt. Demonstranten errichteten wieder Barrikaden, die Polizei schoss mit Gasgranaten. Verletzte wurden in einer Moschee von Ärzten versorgt. Während es auf dem Taksim-Platz um den autoritären Stil der Regierung geht, suchen in Besiktas viele eine Abrechnung mit der Polizei. "Nehmt die Gasmasken ab, legt eure Gewehre weg!", hört man die Demonstranten rufen. "Kämpft wie Männer!" (Markus Bernath, DER STANDARD, 4.6.2013)