Der demografische Wandel hat es in sich. Die Menschen werden immer älter und immer weniger. Die Nachkommen fehlen. Vermehrt kommt es zu Situationen, in denen ein Erbe nicht angetreten werden kann. Dann greift der Staat zu und spricht von "Heimfälligkeit". So heißt es, wenn sich für einen Nachlass kein Erbe findet und an seine Stelle die Republik tritt.
Millionen auf dem Spiel
Allein im Jahr 2011 traf das auf 75 Fälle zu, die dem Staat gut 7,5 Millionen Euro in die Kasse spülten. Zwischen 2003 und 2011 waren es aus 936 Fällen 57 Millionen Euro, die das Budget aufgefettet haben, wie die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage durch Finanzministerin Maria Fekter zeigt. Einen Einzelverwendungsnachweis, wofür die verbliebenen Millionen verwendet wurden, gibt es nicht.
Von diesen 57 Millionen Euro sind dem Bund nur 23 Millionen Euro geblieben. Denn 34 Millionen Euro hat die Republik vor allem infolge nachträglich anerkannter Erbrechtstitel zurückgegeben. Andere Ausgaben entfallen auf die Instandhaltung heimgefallener Objekte wie Häuser oder Möbel. Von der Schneeräumung, über die Renovierung bröckelnder Fassaden - Stichwort Gefahrenbeseitigung – bis zur Obhut von Haus- und Nutztieren und der Verwahrung von sensiblen Dokumenten können die Aufgaben des Staates als Erbe reichen.
Unterm Strich bringt es dem Staatssäckel dennoch Geld. Zwar gibt es in Österreich kein großes virtuelles Auktionshaus à la deutsche zoll-auktion.de, aber auch hierzulande wird mit dem Mangel an Erben Geld verdient.
Ahnenforscher verdienen gut
Dem Staat wird das Verwerten von Nachlässen nicht zu einfach gemacht. In der Regel tauchen nach der Heimfälligkeit Personen auf, die das Vermögen beanspruchen. Oft machen sich Ahnenforscher, sogenannte Genealogen, auf, Anspruchsberechtigte zu finden.
In Wien gehören die Historikerkanzlei rund um Nicolas Forster und das Büro für Genealogie von Herbert Gruber und Michael Nemec zu den größten Akteuren. Sie arbeiten auf eigene Rechnung und erhalten im Erfolgsfall eine Provision. Diese richtet sich laut Gruber nach der Komplexität der Recherchen und der juristischen Problemstellung. Sie würden bei "zehn Prozent des hinzugewonnenen Vermögens" beginnen, sagt der Geschäftsmann zu derStandard.at. In der Branche wird über Provisionen von bis zu 35 Prozent gemunkelt. Dass Menschen wie er als "Aasgeier" bezeichnet werden, damit hat Gruber laut einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Profil" kein Problem.
Paradefall Palais Fürth
Ein Fall, wo Gruber und andere mitgemischt haben und der exemplarisch für den Achterbahnfahrtscharakter für den Erben Staat steht, ist das Palais Fürth in der Wiener Josefstadt. Die Vorkriegseigentümer Lothar und Susanne Fürth wählten nach dem Einmarsch der Deutschen 1938, und den beginnenden Repressalien gegen die Familie mit jüdischer Vergangenheit, den Freitod. Da das Ehepaar keine Kinder hatte, fiel das vorübergehend im Besitz der Besatzungsmacht Amerika befindliche Gebäude in der Schmidgasse 14 im Jahr 1955 an die Republik Österreich.
Das war möglich, weil die ersten Restitutionsgesetze nur die engsten Verwandten als Erben anerkannt haben. Also sah der Staat spätestens 1966 mit einer Zahlung von 700.000 Schilling an die Israelische Kultusgemeinde die Angelegenheit als erledigt an.
Restitution
34 Jahre später beschloss die Regierung Schüssel, das Palais zu Geld machen. Im Zuge des wiederaufgeflammten Interesses an dem Fall tauchten die in den USA lebenden potenziellen Erben Alfred Strasser und Marietta Pritchard sowie dutzende weitere Anspruchsberechtigte auf. Ihr Rückstellungsbegehren wurde schließlich 2005 von einer Schiedsinstanz als gerechtfertigt anerkannt.
Das Haus wurde nach jahrelangem Streit unter den Erben 2010 an die Schmidgasse 14 Entwicklungs-GmbH verkauft. Dahinter stehen die Immobilienunternehmer Karl-Heinz Strauss, seines Zeichens Chef und Miteigentümer von Porr, und Peter Rabensteiner. Sie haben das Palais saniert und die dadurch entstandenen Luxuswohnungen verkauft.
Erbensuche geht weiter
Den Baumeistern, Rechtsanwälten, Notaren und Beamten wird auch in Zukunft nicht langweilig werden. Denn die Ahnenforscher, die diese Fälle oft ins Rollen bringen, arbeiten weltweit. Alleine die Wiener Historikerkanzlei sucht jährlich in über 1.000 Fällen nach Erben. In Österreich dürften die Kämmerer darauf hoffen, dass die Schnüffler nicht allzu viele finden. (Hermann Sussitz, derStandard.at, 15.7.2013)