Das niederösterreichische Melk 2013 ...

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... und 2002: Innerhalb von nur elf Jahren wurde zwei Mal die komplette Altstadt überschwemmt.

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Österreich hat in den vergangenen fünf Jahren etwa eine Milliarde Euro in den Hochwasserschutz investiert. Dennoch war auch diesmal die Flut nicht überall zu stoppen, das hundertjährliche Hochwasser (HQ100) von 2002 wurde bereits in vielen Gebieten von Tirol bis Niederösterreich übertroffen.

Haben sich das langjährige Ringen um eine Bund-Länder-Einigung (15a-Vereinbarung) zum Hochwasserschutz und die finanziellen Kürzungen im Vorjahr bitter gerächt? Sind die bereits fertigen Schutzbauten zu niedrig? Oder ist Österreich mit dem Konzept, hauptsächlich Dämme und Deiche zu bauen, anstatt die kanalisierten Flüsse zu renaturieren, überhaupt auf dem falschen Dampfer?

Machlanddamm an absoluter Grenze

Der Machlanddamm in Oberösterreich ist Mitteleuropas größtes Wasserschutzprojekt. Im August des Vorjahres wurde der 36,4 Kilometer lange Schutzwall quasi eröffnet. Und nun könnte es knapp werden: In Grein im Bezirk Perg wurde am Montag ein Donau-Pegelstand von 14,8 Metern prognostiziert - nur 20 Zentimeter unter der Dammkrone. Der Höchststand wurde in der Nacht auf Dienstag erwartet.

Oberösterreichs Umweltlandesrat Rudi Anschober (Grüne) sagte Montagnachmittag noch: "Wenn sich die Situation nicht drastisch verschlimmert, dann wird der Machlanddamm verhindern, dass aus einem Jahrhunderthochwasser eine Jahrhundertkatastrophe wird." Ohne den Damm wären die Schäden bereits am Montag "beträchtlich" gewesen.

Länder haben gewarnt

Als kritisch könnte sich aber laut Experten das fehlende Alter des Damms erweisen. Die Erdmassen haben sich möglicherweise noch nicht genügend gesetzt, um einem wirklich großen Hochwasser standzuhalten. Evakuierungen habe es aber nicht deswegen gegeben, sondern weil "der Katastrophenschutzplan ab einem gewissen Pegelstand vorschreibt, dass Häuser geräumt werden", so Anschober zum STANDARD. Auch in der Wachau, wo sich Orte mit mobilen Schutzwänden schützen, stellt sich die Frage, ob die Höhe der rasch aufzubauenden Wände ausreicht.

Erst vor knapp zwei Wochen hatten die Länder bei der Landeshauptleutekonferenz in Bregenz mehr Schutzwasserbau-Gelder vom Bund eingefordert. Vorarlbergs Landeschef Markus Wallner (VP) rechnete vor, dass der Bund zwischen 2007 und 2012 um 23 Millionen Euro zu wenig ausbezahlt habe.

Weitere 400 Millionen Euro

Vom STANDARD mit dieser Summe konfrontiert, gestand Umweltminister Nikolaus Berlakovich (VP) bei einer Pressekonferenz ein, dass es wegen des Sparpakets Abstriche beim Hochwasserschutz gegeben habe. Dennoch stehe derzeit mehr Geld denn je zur Verfügung.

Der Umweltminister ist für den Schutz vor hochwasserführenden Fließgewässern zuständig - mit Ausnahme der drei großen Flüsse Donau, March und Thaya, die in das Ressort von Infrastrukturministerin Doris Bures (SP) fallen. Bures erinnerte daran, dass Bund, Oberösterreich, Niederösterreich, Wien und die Gemeinden ab heuer weitere 400 Millionen Euro in den Hochwasserschutz entlang von Donau und March investieren werden.

Rückblickend sparte sie nicht mit Kritik an ihren politischen Vorgängern: Nach der Flutkatastrophe von 2002 habe die damals schwarz-blaue Regierung fünf Jahre gebaucht, um eine 15a-Vereinbarung zum Hochwasserschutz zu treffen. Erst 2007 habe damit begonnen werden können, konkrete Vorschläge umzusetzen.

16 Fußballfelder pro Tag gehen verloren

Der WWF und Experten wie der Meteorologe Ernest Rudel kritisieren, dass Dämme und Deiche keine optimalen Schutzmaßnahmen seien. Vielmehr gehe es um großflächige Flussaufweitungen, das Schaffen von Retentionsflächen und die Förderung von naturnahen Lebensräumen in den Einzugsgebieten.

Derzeit gehen laut WWF in Österreich pro Tag acht Hektar Fläche durch die Versiegelung der Landschaft verloren, das entspreche einer Fläche von 16 Fußballfeldern. Flüsse befänden sich in einem Zwangskorsett.

EU-Solidaritätsfonds

Einig - wenn auch ohne gemeinsamen Auftritt - ist sich die Bundesregierung, dass Flutopfern schnell geholfen werden soll: Aus dem EU-Solidaritätsfonds, für den Regionalkommissar Johannes Hahn zuständig ist, könnte eine Milliarde Euro fließen. Der heimische Soforthilfetopf ist mit 31 Millionen Euro gefüllt.

Die Regierung verspricht Flutopfern unbürokratische Soforthilfe. 60 Prozent eines gemeldeten Schadens übernimmt der Bund, 20 Prozent werden sofort für Wiederaufbau überwiesen. Arbeitsminister Rudolf Hundstorfer (SP) kündigte auf Anfrage des STANDARD an, Unternehmen mit Kurzarbeit zu unterstützen. (DER STANDARD, 4.6.2013)