Sie fühlen sich als Fan des österreichischen Klubfußballs ausgeschlossen vom Konzert der Großen? Sie haben es satt, die Champions League staunend im Fernsehen zu beobachten? In Schweden wird man Sie verstehen, denn auch im hohen Norden kennt man die Königsklasse nur vom Hörensagen. Zuletzt hatte der Helsingborgs IF in der Saison 2000/01 das Vergnügen, sich abklopfen zu lassen. Seither ist spätestens im Play-off Endstation.

Dabei genoss der schwedische Klubfußball in Europa einst hohes Ansehen. Malmö FF stand 1979 im Finale des Europapokals der Landesmeister, IFK Göteborg gewann gar zweimal den UEFA-Cup (1982, 1987). Mit dem Siegeszug der Champions League, dem Bosman-Urteil und der rapiden Professionalisierung verlor die "Fotbollsallsvenskan", so nennt sich die schwedische Liga, jedoch zunehmend den Anschluss. In der UEFA-Fünfjahreswertung liegt Schweden derzeit neun Ränge hinter Österreich auf dem 24. Platz.

 

 

Gleichzeitig mit dem Niedergang der schwedischen Liga ließ sich ein stetiger Anstieg des Legionärsanteils im Nationalteam beobachten. Wurde das erfolgreiche Team von 1994 (WM-Dritter!) noch zur Hälfte mit Spielern der heimischen Klubs versorgt, qualifizierte sich Schweden für die Endrunden 2000, 2002, 2004, 2006, 2008 und 2012 hauptsächlich auf der Basis von Legionären.

In den aktuellen Kader hat Nationaltrainer Erik Hamrén 91 Prozent Legionäre einberufen, auf dem Rasen werden sich wohl ausschließlich derer einfinden. Eine ähnliche Entwicklung spielt sich im ÖFB-Team ab: Die Dichte der Legionäre im Nationalteam steigt in einer identen Kurve auf niedrigerem Niveau an. Bis auf Goalie Heinz Lindner wird am Freitag vermutlich auch kein Spieler aus der österreichischen Liga antreten.

 

 

Da wie dort verlassen Legionäre ihre Heimat früh, im Schnitt zwischen dem 21. und 22. Lebensjahr. Im aktuellen schwedischen Kader hat bis auf den verletzten Torhüter Johan Wiland jeder Spieler die eigene Liga spätestens mit 23 verlassen. In Österreich bilden Zlatko Junuzovic (24) und Marc Janko (27) die Ausnahme. David Alaba, Martin Harnik, Marko Arnautovic und Andreas Weimann waren überhaupt nie in Österreichs Profifußball tätig.

Wenn Österreichs Fußballer heimische Gefilde verlassen, führt sie die erste Weg zumeist in die deutsche Bundesliga. Schwedens Toptalente docken zunächst in den Niederlanden an. Ob Zlatan Ibrahimovic (Ajax), Rasmus Elm, Pontus Wernbloom (beide Alkmaar), Ola Toivonen (PSV), Johan Elmander (Feyenoord) oder Jonas Olsson (Nijmegen) - alle kamen in die Eredivisie, um sich dort für noch größere Aufgaben zu empfehlen.

 

 

Als Dauergast bei Europa- und Weltmeisterschaften liegt Schweden in der FIFA-Weltrangliste quasi ohne Unterbruch weit vor Österreich. Seit Einführung des Rankings 1993 war das ÖFB-Team ein einziges Mal, nämlich nach der Teilnahme an der WM 1998, kurz voran. Durchschnittlich steht Schweden um Rang 19, Österreich um Platz 56.

Während schwedische Nationaltrainer im letzten Jahrzehnt kaum Veranlassung zu Veränderungen im Kader sahen, erlebte das ÖFB-Team eine Phase des permanenten Umbruchs. Stichwort Kontinuität: Unter Trainer Hans Krankl kamen zwischen 2002 und 2005 nicht weniger als 41 (!) Spieler zu ihrem Debüt. In Schweden wurden im selben Zeitraum acht Neulinge einberufen. Erst die verpasste WM 2010 löste bei den Skandinaviern einen Schnitt aus. In Österreich kehrte zuletzt etwas mehr Ruhe ein.

 

 

Die Europameisterschaft 2008 fand in Österreich statt, das Fußball-taugliche Nationalstadion steht aber in Stockholm. Im Oktober 2012 wurde die "Friends Arena" eröffnet, sie bietet über 50.000 Fans Platz. Zlatan Ibrahimović weihte den Hexenkessel standesgemäß mit vier Toren (!) gegen England ein. Am 11. Oktober darf das ÖFB-Team die dortige Atmosphäre genießen.

Die Baukosten des Stadions sollen sich auf 326 Millionen Euro belaufen haben. Über die Attraktivität der Spielstätte freut sich vor allem der AIK Solna. Der Klub konnte seinen Zuschauerschnitt auf zuletzt 27.867 verdoppeln. Ein Szenario, das mit einer modernen Infrastruktur auch bei Rapid Wien nicht undenkbar (gewesen) wäre.

 

 

Auch in der Liga stand die schwedische Infrastruktur trotz sportlicher Flaute in den letzten Jahren nicht still: Diesen Monat wird ebenfalls in Stockholm die Tele2 Arena für Hammarby (2. Liga) und Djurgården eröffnet. Kalmar erhielt mit der Guldfågeln Arena ebenso ein neues Stadion wie IFK Göteborg mit dem Gamla Ullevi. Auch die Boras Arena und das Swedbank Stadion von Malmö können sich sehen lassen. (Philip Bauer, derStandard.at, 4.6.2013)