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Videokameras an jeder Straßenecke, vernetzte Datenbanken und Drohnen, die Demonstranten und Großereignisse wie die Olympischen Spiele aus der Luft verfolgen - moderne Technologien sollen Gefahren schon im Voraus erkennen, um so die Welt sicherer machen. Das ist teuer und "ein hoffnungsloser Ansatz", erklärte die Philosophin und Technikforscherin Jutta Weber von der Universität Paderborn (Deutschland) im Gespräch mit der APA anlässlich der vom Institut für Technikfolgen-Abschätzung organisierten Konferenz "Sicherheit als Technik" in Wien, bei der Weber gestern, Montag, referierte.

"Archaische Rachegedanken"

Es sei ein Trugschluss zu glauben, dass ausschließlich technisches Hochrüsten Sicherheit bringt, sagte Weber. So würden etwa Videokameras in U-Bahn-Stationen und Bahnhöfen nicht die Sicherheit der Passagiere erhöhen, sondern wären allenfalls bei der Strafverfolgung hilfreich, erklärte die Expertin. Auch Anschläge wie das Bombenattentat beim Boston-Marathon könne man mit Videoüberwachung nicht verhindern. "Es ist gut, dass man solche Täter findet, aber dass man sich so stark auf die Verfolgung fokussiert, zeigt eher von archaischen Rachegedanken, als es hilft, die Welt für alle sozial verträglicher und lebenswerter zu machen", sagte sie.

Präventive Sicherung

Weber kritisiert, dass sich die Sicherheitspolitik in der Angst vor terroristischen Anschlägen oder Gewaltverbrechen zunehmend in Richtung präventiver Sicherung verschiebt. Dazu gehöre es, so umfassend wie möglich Daten der Bürger zu sammeln und daraus Muster und Profile zu erstellen. Man beschäftige sich mit einer "geradezu bürokratischen Imagination möglicher zukünftiger Bedrohungen, anstatt aktuelle Probleme anzugehen", sagte sie. Die Beschwörung potenzieller aber nicht unbedingt realer Gefahren würde wiederum neue Ängste schüren. Nutznießer der Angst in der Bevölkerung seien die Hersteller von Hightech-Überwachungssystemen sowie Politiker. "Es ist eine alte Weisheit: Leute die Angst haben, sind besser regierbar", erklärte Weber.

Sicherheit gewährleisten

Die Sicherheitsfrage sei heute sehr stark auf Überwachung und Verbrechensbekämpfung beschränkt, während andere gesellschaftliche Gefahren wie eine Verschlechterung des Gesundheitssystems und der sozialen Sicherheit kaum diskutiert würden. "Es wird immer als notwendig, unvermeidbar und alternativenlos dargestellt, dass die soziale Sicherheit erodiert wird", sagte Weber. Gleichzeitig würde man mit einem "riesigen Aufwand" versuchen, mit Hightech-Geräten die Sicherheit von "Leib und Leben" zu gewährleisten.

"Altmodisch und nicht so sexy"

Man könne die Sicherheit oftmals effektiver mit sozialen Ansätzen erhöhen, meint Weber, etwa indem man untersucht, wie "bestimmte gesellschaftliche Konflikte" entstehen und diese im Vorfeld abschwächt. Aber Konfliktfelder erforschen, die Arbeitslosigkeit bekämpfen und sich der Kulturarbeit widmen, klinge "altmodisch und nicht so sexy" und ließe sich nicht so gut vermarkten, wie ein neues Hightech-Gerät. "Die Politik ist durch ökonomische Zwänge in ihrer Handlungsfähigkeit immer mehr eingeschränkt, technikzentrierte Sicherheit scheint eines der wenigen Felder zu sein, in dem die Politik noch den Eindruck vermitteln kann, dass sie etwas tut", sagte sie.

Soziale Netzwerke

Die ständige Überwachung sei mittlerweile so selbstverständlich, dass die Kontrolle nicht ausschließlich "von oben" ausgeübt wird, sondern auch freiwillig und interaktiv funktioniert, erklärte Weber: Zum Beispiel wenn die Menschen in sozialen Netzwerken ständig ihren Standort bekannt geben und sich dort auf dem Laufenden halten, was ihre Freunde gerade treiben. (APA, 4.6.2013)