Manchmal herrscht sogar unter Festspielkuratoriums- und Politbüromitgliedern pure Glückseligkeit. Etwa im Mai 2009, als sie - ohne Hearing - Alexander Pereira, damals Zürcher Opernchef, zum Nachfolger von Jürgen Flimm kürten. Ex-ÖBBlerin Wilhelmine Goldmann, von Bundesministerin Claudia Schmied ins Kuratorium entsandt, jubelte über den neuen Intendanten als einen "stabilisierenden Faktor in der schwierigen Wirtschaftslage": Er sei "Garant für eine sichere Fahrt durch unsichere Zeiten".

Heute weiß man nur eines ganz sicher: dass gar nichts sicher ist. Nicht einmal, wie lange Pereira bleiben darf. Nicht nur Salzburgs Bürgermeister wäre ihn lieber heute als morgen los. Dabei outete gerade er sich seinerzeit als Wortführer der Pereira-Fraktion: "Er war", bekannte Heinz Schaden froh, "mein Wunschkandidat. Und es hat nur wenige Minuten gedauert, bis alle Kuratoriumsmitglieder ebenso überzeugt waren." Er hole weltweit die Besten, weshalb auch die Ressortministerin damals hoffnungsvoll tönte: "Mit Pereira gehen die Festspiele in eine gute Zukunft." Derzeit pflegt Schmied allerdings wieder ihre Lieblingstugend: Sie schweigt. Vielleicht denkt sie ja darüber nach, wie sinnvoll Politiker und/oder ihre Abgesandten im Kuratorium sind.

Das Chaos de luxe, in das sich die Salzburger in atemberaubendem Tempo begeben, war vorhersehbar. Es begann damit, dass die vereinigte Festspielintriganz aus Stadt, Land und Bund Jürgen Flimms logischen Nachfolger, den damaligen Konzertchef Markus Hinterhäuser, im wahrsten Sinn des Wortes im Vorraum sitzen ließ. Mit seiner Interims-Intendanz 2011 zeigte er, wie und dass er's bestens könnte. Nun ist Hinterhäuser, leider, bei den Wiener Festwochen unter Vertrag und bis 2016 für das Salzburger Hoch-Amt nicht verfügbar.

Pereira wiederum holte man hauptsächlich, weil er ein weltbekannter Sponsorengeld-Schnorrer ist. So trieb er für 2013, gemeinsam mit Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler, 17 Millionen Euro Sponsorengelder auf. Ihm nun genau diesen Drang zum großen Geld vorzuwerfen, zeugt von selektivem Erinnerungsvermögen. Hat man sein Konzept nicht verstanden? Abzuwarten ist, wie sehr sich die Sponsoren von dem Gezerre an der Salzach beeindrucken lassen; ob sie bleiben - oder mit ihren Millionen lieber Pereira an die Mailänder Scala folgen werden, wann immer er dorthin übersiedeln wird.

Pereira selbst trug das Seine zur Entfremdung bei, indem er gleich sein erstes Salzburgjahr mit Rücktrittsandrohungen pflasterte. Oder seiner Präsidentin indirekt mangelnde Kompetenz unterstellte und ankündigte, das "Weltunternehmen Festspiele" endlich international zu verkaufen. Doch sich mit Rabl-Stadler zu matchen, hat noch keinem Intendanten gut getan. Nun sitzt sie fester im Sattel denn je. Und zieht, bestens vernetzt, die Fäden. An einem dieser Fäden könnte Sven-Eric Bechtolf als intendantische Notlösung zappeln, ehe Hinterhäuser wieder für Salzburg frei ist. Doch der Abteilungsleiter für Schauspiel hatte noch im Vorjahr seinen Verbleib kategorisch ausgeschlossen, sollte Pereira zurücktreten: " Er ist mon général. Wenn er geht, würde auch ich mein Köfferchen packen."

Andererseits: Unter Bechtolfs professioneller Regie könnte jedermann in dem Salzburger Trauerspiel Auf-, An-, Ab- und Rücktritte durchaus noch ein bisschen besser proben. (Andrea Schurian, DER STANDARD, 6.6.2013)