Nach der Hochwasserkatastrophe stehen viele Hausbesitzer, deren Liegenschaften überschwemmt wurden, vor den Trümmern ihrer Existenz. Dennoch müssen in diesen schwierigen Stunden und Tagen wichtige Maßnahmen getroffen werden, um die Erhaltung der Bausubstanz zu gewährleisten. Schließlich hat kaum ein Mauerwerk gegen lang anhaltendes "Eingeweichtwerden" eine Chance.
Keine "halbherzigen" Sachen
Bis zu 350 Liter Wasser kann ein Kubikmeter Mauer aufnehmen, und exakt diese Menge muss nach dem Ende der Überflutung auch wieder raus, sagt Wolfgang Diglas, Mauerwerksanierer und gerichtlich beeideter Sachverständiger. Sonst drohen nicht nur finanzielle, sondern auch gesundheitliche Schäden.
Der Experte warnt eindringlich vor einer bloß "halbherzigen" Trockenlegung von Mauern. Das spare zwar möglicherweise im Augenblick Geld, könne aber katastrophale Folgen haben.
"Grundsätzlich gilt: Je freier und offener das Mauerwerk, desto schneller die Austrocknung", sagt er. Methoden gibt es einige, doch nicht alle machen Sinn.
In den Rohbau zurückversetzen
Seine Empfehlungen: "Zuerst müssen einmal Anstriche, Platten und alle Arten von Verputz runter, die verlangsamen die Trocknung nur. Ich kann nur jedem raten, alles abzuschlagen. Man muss quasi das Haus in den Rohbaustand zurückversetzen, sonst ist man chancenlos."
Zu Entfeuchtungsgeräten bzw. Gebläsen in den Räumen hat er ein ambivalentes Verhältnis: "Sie können die Luft nur trockener machen. Das ist bei dünneren Mauern zielführend, bei dickeren kriegt man die Feuchtigkeit nicht raus."
Thermisch trocknen
Wenn man nicht gerade Jahre warten möchte, bis das Haus trocken ist, und damit auch Schimmelbefall riskiert, sollte man Heizstäbe einsetzen, also auf thermische Trocknung zurückgreifen. Dazu werden im Raster Heizstäbe tief ins Mauerwerk gebohrt und damit der Kern erwärmt. Wichtiger Hinweis dabei: Tunlichst nicht selbst Hand anlegen, sondern stets Professionisten werken lassen.
Diglas weiß auch von einer zweiten Methode, nämlich mittels Mikrowelle. Allzu begeistert ist er davon allerdings nicht, denn die Strahlung könne mitunter doch "ein bisserl gefährlich" werden. Der Trockenleger schwört auf die Heizstabmethode.
Zeit, Energie und Geld
"Wenn die Mauer komplett angesoffen ist, muss man bei Heizstäben mit einem Monat bis fünf Wochen rechnen, das ist sehr energieaufwendig, also auch kostspielig", so Diglas. Während dieser Zeit sollten zusätzlich auch Gebläse verwendet werden, weil sehr viel feuchte Luft aus den Wänden dringt. "Die muss abgeführt werden, sonst besteht wiederum die Gefahr von Schimmelbildung."
Auch im Estrich, in Bodenplatten und Dämmschichten gibt es jede Menge Möglichkeiten für Wasser, sich festzusaugen. "Darunter steht die Feuchtigkeit, die bringt man kaum noch raus, das fängt an zu schimmeln und zu stinken", so Diglas.
Er empfiehlt auch hier eine Dämmschichttrocknung. "Da werden in fünf Meter Abständen Löcher gebohrt und gewärmte, getrocknete Luft hineingeblasen." Auch hier gilt: Teuer, langwierig, aber notwendig.
Auf Risse achten
Überflutete Gebäude sollten nach Rückgang des Hochwassers, aber auch noch mehrere Monate danach auf Schäden beobachtet werden, die möglicherweise auf Ausschwemmungen von Feinteilen aus dem Baugrund oder eine Unterspülung des Fundamentes hinweisen können. Denn in Gebäude eingedrungenes Wasser verursache meist auch große Schäden an Türen, Fenstern, Bodenbelägen, Wänden und der Haustechnik. In selteneren Fällen kann die Belastung durch Hochwasser und Grundwasseranstieg auch die Standfestigkeit des Objekts selbst beeinträchtigen, so der Vorstand des Institutes für Betonbau an der TU Graz, Viet Tue Nguyen.
Mit dem Auspumpen des Kellers sollte erst begonnen werden, wenn das Hochwasser abgeflossen und der Grundwasserspiegel ausreichend gesunken ist. Dann solle man sorgsam auf Rissbildungen achten. Eine Feinteilausspülung oder Unterspülung des Gebäudes müsse nicht sofort ersichtlich sein, Risse könnten aber erstes Anzeichen eines Absenkens der Fundamente gesehen werden. "Sollten neue Risse auftreten, sollt man vorsichtig sein und auf jeden Fall einen Sachverständigen zurate ziehen", so Nguyen. Nur dieser könne die tatsächliche Gefährlichkeit begutachten.
Kleinste Löcher im Boden
"Hochwasser kann zu Ausschwemmungen führen, die Hunderttausende kleinste Löcher im Boden hinterlassen - die Bodendichte kann abnehmen. In der Folge - und das kann auch Monate dauern - kann es zu Setzungen kommen", so Baumeister Hubert Majcenovic, Sachverständiger für Hochbau und Renovierung historischer Holzbauten in Graz im APA-Gespräch. "Ein überflutetes Haus bedeutet aus statischer Sicht noch nicht automatisch Gefahr in Verzug", so der Baumeister, der immer wieder vom Bundesdenkmalamt Steiermark in Revitalisierungsfragen zurate gezogen wird. "Auf alle Fälle soll man aufmerksam sein, ob sich Risse oder andere Auffälligkeiten, Verschiebungen gebildet haben. Nasser Putz, der abbröckelt, ist aus statischer Sicht kein Malheur."
Veränderungen fotografieren
Vorsicht sei vor allem bei Gebäuden jüngeren Datums aus Beton geboten: "Alte Baumaterialien sind einfach geschmeidiger". Majcenovic rät betroffenen Hausbesitzern, das Haus "mehrere Monate, vor allem auch über eine Frost-Tauperiode hinweg" genauer im Auge zu behalten, und empfiehlt dazu eine penible Fotodokumentation: "Schon vorher vorhandene Risse fotografieren. Die Entwicklung eines Risses kann sich optisch niemand über Monate merken". (APA, derStandard.at, 6.6.2013)