Anlässlich des letzten "Montagsgesprächs" von DER STANDARD verwies Minister Töchterle auf die neue Lehrerbildung, die die Grundlage dafür schaffe, dass Lehrer künftig "mehr Schüler für (bestimmte) Fächer begeistern" werden.

Nun weiß man zwar, dass die Lehrerbildung universitär und teils verlängert werden wird - und dass dem "Begeistern" künftig mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden soll. Das ist ein extrem anspruchsvolles Vorhaben.

Keine Schülerbegeisterung ohne eine solche der Lehrer

Man trifft kaum einen Geschichtelehrer, der sein Fach als öd empfindet, keinen Chemiker, den die Chemie langweilt, und schon gar keinen Lateiner, den diese angeblich tote Sprache kalt lässt - im Gegenteil. Die überbordende Begeisterung für das eigene Fach aber ist nicht die Lösung, sondern nicht selten ein Motor der schulischen Frustorgie. Der für sein Fach bis über die (roten) Ohren "glühende" und im Unterricht dennoch erfolglose Lehrer ist selten eine komische, immer aber eine tragische Figur. Warum?

Die Schüler werden zum Unterricht gezwungen

Der Lehrer kann seine Aufmerksamkeit und seine Begeisterung auf die selbst gewählten ein bis drei Fächer konzentrieren, für die Schüler ist der Unterrichtsgegenstand ein mehr oder weniger aufgezwungener, einer unter vielen - die unterschiedliche Aufmerksamkeits- und Motivationsdichte dies- und jenseits des Lehrertisches schafft ein bedrohliches Gefälle.

Dem Lehrerausruf "Wie könnt ihr denn von den griechischen Philosophen, von einer hochinteressanten Differentialgleichung, von den wunderbaren Foraminiferen nicht begeistert sein!" folgt die "Erkenntnis": "Muss ich mein Berufsleben lang Perlen vor die Säue werfen?" Schiefgegangen - an mangelnder Begeisterung der Lehrer am eigenen Fach kann es nicht gelegen sein! Woran dann?

Der Schlüssel: Selbst gewonnene Erkenntnis

Wie funktioniert das Gegenteil des Teufelskreises von Lehrer- und Schülerfrust, der "circulus angelorum" des Begeisterungsunterrichts? "Nichts ist süßer - motivierender - als eine selbst gewonnene Erkenntnis!", konstatierte der Philosoph Moses Mendelssohn, inspiriert von den Lehrerfreuden der seit Sokrates Schul-aktenkundigen "fragenden Pädagogik".

Der Lehrer führt die Schüler so, dass diese Fragen suchen, stellen und mit behutsam-subtiler Lehrerhilfe die Lösungen, die Antworten selber finden. Die Antworten der Schüler sind so individuell, oft so witzig, doch so treffend, wie sie einer Hundertschaft beamteter Lehrbuchautoren niemals gelängen. So entstehen Freude, Lachen, Humor und die nachhaltige Verankerung der "süßen selbst gewonnenen Erkenntnisse" in der Abteilung "Freude, Erfolgserlebnis, (lebens)langes Merken" in den Gehirnen von Schülern und Lehrern - und eine interessierte, oft produktiv heitere Stimmung in der Klasse.

Gekonntes Fragen und Antworten

Doch dieses wechselseitige Fragen, das gemeinsame Suchen nach Antworten muss gekonnt sein - es darf nichts Inquisitorisches, nichts Prüfendes an sich haben. Es muss abseits von Plus und Minus und von Beurteilung der Mitarbeit stehen - und es darf keine Angst vor falschen Antworten generieren. Es muss ein Gespräch auf Augenhöhe sein im Sinne des Lehrers und Philosophen Moses Maimonides, der meinte: "Am meisten habe ich von meinen Schülern gelernt."

Wie eignet man sich das Starten und das Am-Laufen-Halten dieses "Begeisterungskarussells" an? Durch Üben, Üben und noch einmal Üben - behutsam und inspirierend begleitet von "neuen LehrerbildnerInnen", die die künftigen Pädagogen hin zu ihrer persönlichen, authentischen Art des Begeisterungsempfindens über die strahlenden Gesichter eigenerkenntnisbereicherter Schüler führen. Dann wird das gemeinsame Lernen zur Hauptsache, und nicht ein zu Tode getestetes kurzlebiges Stoffwechselendprodukt namens Kompetenz. (Ernst Smole, Leserkommentar, derStandard.at, 6.6.2013)