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Ein zufriedener Radfahrer in Berlin Tiergarten. Er hat es gut. In Wien hingegen müssen sich die Radler warm anziehen - und das nicht nur in temperaturtechnischer Hinsicht.

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Immerhin: "Zehn Jahre" bedeutet nicht "nie". Und außerdem spendete Ulrich Gries ohnehin ein Quantum Trost: "Vielleicht sind es ja auch nur sieben."

Gries ist ein wenig die Berliner Ausgabe von Mikael Colville-Andersen. Der gilt weltweit als der Rad-Botschafter Kopenhagens – und als Experte für Style am Bike. Ulrich Gries ist ihm fast auf den Fersen: Er hat zwar noch keinen Begriff wie "Copenhagenization" geprägt, ist aber als Kopf des Rad(mode)-Ladens "Prêt à Velo" und Autor urbaner Rad-Führer eine Marke, die man gerne auch anderswo in Velo­fragen konsultiert.

Also war Gries vergangene Woche in Wien. Als Kopf jener Jury, die für die städtische Start-up-Starthilfeplattform "departure" den Rad-Ideenwettbewerb "Cycling Afairs" bewertete und abwickelte.

Wenige Radfahrer

Natürlich sah Gries da auch Wiens Radlandschaft. Doch sein Fazit war wenig schmeichelhaft: "Wien hinkt Berlin um zehn Jahre nach." Nicht nur in Sachen Style: "In manchen Stadtteilen liegt der Radanteil bei uns schon um die 30 Prozent. Ihr habt zwar Radwege, aber wenige Radfahrer."

Woran das liegt? "Nicht an den Hügeln, sondern an der Kommunikation. Radpolitik muss nicht die erreichen, die Rad fahren, sondern die, die es nicht tun." Sprich: Autofahrer.

Eine gewisse Aggresivität

Die sind zwar oft beratungs-, aber selten frustresistent: "In Berlin haben sie mittlerweile gelernt, dass es sinnlos ist, mit dem Auto in die Stadt zu fahren." Und zwar für alle: "Bei uns fahren auch Politiker Rad. Nein, nicht nur die Grünen."

Freilich: Wien ist nicht Berlin. Das merkte Ulrich Gries rasch: "Wir Berliner sind nicht immer nett. Aber die Aggressivität, mit der Autofahrer Radfahrern in Wien begegnen, habe ich in Berlin nie erlebt." Auch nicht vor zehn Jahren. (Thomas Rottenberg, DER STANDARD, 7.6.2013)