Seinen Vater kann man sich nicht aussuchen. Er bleibt der Vater. Ein Leben lang. (Gilt für die Mutter übrigens auch). Väter sind grundsätzlich eine tolle Sache. Früher waren sie oft rigide. Jetzt heißt es, sie wandeln sich. Sie heißen heute "neue Väter" und scheitern trotzdem manchmal an den alten Problemen. Väter wollen stark sein und cool, die Welt erobern und hoch hinaus und trotzdem ihren Kindern abends Geschichten zum Einschlafen vorlesen.Manche Vätern leiden an den eigenen Vätern. Manche flüchten sich in Sport, andere in die Arbeit.

Immer mehr Väter kämpfen um eine gemeinsame Obsorge für ihr Kind und sind auch nach einer Scheidung viel für ihre Kinder da. Das ist eine gute Sache. Mit meinem eigenen Vater war das so: Der war in der Zeit nach der Scheidung meiner Eltern immer für mich da, aber dann eigentlich weg. Weit weg sogar. Einen ganzen Ozean weit weg, der lag zwischen uns und er saß jahrelang auf einem anderen Kontinent. War das schlimm? Ja, ganz sicher.

Aber Kinder sind Anpassungskünstler und mit elf ist man noch ein Kind, also gewöhnt man sich an vieles und auch daran und irgendwann denkt man nicht mehr viel darüber nach, als heranwachsender Teenager sowieso nicht. Und als der Vater nach Jahren wieder da war, war ich verwundert, wie wenig ich ihn vermisst hatte. Oder wie wenig ich mir zugestanden habe, ihn vermissen zu dürfen (sicher aus Schmerzökonomie). Irgendwie war das auch praktisch, rede ich mir heute ein: Niemand hat an mir herumgezerrt, kein Hin und Her zwischen den getrennten Eltern-Welten, eine feste Basis bei der Mutter, endlose Sommerferienwochen, immer dasselbe, viel Kontinuität und eine Sehnsuchts-Projektionsfläche in Übersee.

Er war immer (zumindest aus der Ferne) dann verlässlich zur Stelle, wenn zuhause die Streitereien und der Zoff um Schularbeiten und Ausgehzeiten unerträglich wurden. Jahrelang dachte ich: Irgendwann gehe ich nach Amerika. Und irgendwann war das auch so. Aber da war der Vater schon wieder zurück. Und ich war dort: in Übersee. Tja, so ist das manchmal im Leben mit Vätern und Kindern, die älter werden. Die eigenen Eltern kann man sich nicht aussuchen. Das eigene Leben dann schon. (Mia Eidlhuber, derStandard.at, 9.6.2013)