Da kann einer bis nach Kasachstan ausweichen - das Gesuder in Österreich holt ihn dennoch ein. An Alfred Gusenbauer hat sich in diesen Tagen eine Debatte erwärmt - entzündet wäre fürs Erste zu viel gesagt -, die leider keine konsequente Fortsetzung finden wird, selbst wenn sich Profil bemüht, die auf eine Person zugespitzte und ein wenig fehlgeleitete moralische Entrüstung zu einer Spionageaffäre aufzublasen. Den Eifer, den das Magazin bei der Staatsanwaltschaft walten wähnt, hätte man sich dort seit langem in Sachen Eurofighter gewünscht.

Die plötzliche Entrüstung über Gusenbauer ist im Wahlkampf außerhalb der SPÖ als Treibmittel zweifellos umso willkommener, als sie innerhalb der SPÖ mit einigem Bauchweh verbunden ist. Die Presse war gleich zur Stelle, ausgewählte Angehörige der Beraterbranche aufzubieten, die in der Kritik an Gusenbauer eine scheinheilige Hetzjagd sehen und Bekehrungsversuche an kaukasischen Tyrannen als Dienst an der Demokratie deuten.

Sieht man es so, befände sich Gusenbauer in bester Gesellschaft, hat doch schon Platon hartnäckig versucht, dem Tyrannen von Syrakus die athenische Demokratie mundgerecht zu machen. In solchen Sachen entscheidet immer der Erfolg, und der fiel bisher in Kasachstan nicht merklich überzeugender aus als einst in Sizilien. Es erhebt sich auch die Frage, ob es um die Demokratie in Österreich schon so gut bestellt ist, dass die Weisheit eines weltweit als Berater tätigen Ex- Bundeskanzlers nicht auch dem eigenen Volk zum Segen gereichen könnte. Aber Austria ist nun einmal a too small country, wie schon ein anderes nach Entfaltung lechzendes politisches Genie erkannt hat, und die Versuchung ist groß, nach Jahren des unbedankten Eingesperrtseins in der beratungsresistenten Enge einer Partei endlich einmal zeigen zu können, was für ein verflixter Kerl man in der großen, weiten Beraterwelt ist.

In Anspielung auf die Bibel hat Dienstag auf dieser Seite Bernhard Heinzlmaier gemeint, man könne nicht der Sozialistischen Internationale und gleichzeitig Despoten und Novomatic dienen. Wer's versucht, sei für die SPÖ untragbar. Nun, die SI hat sich nicht eben als Jackpot des Proletariats erwiesen, sie befindet sich dementsprechend in Auflösung, und was das Glücksspiel betrifft: Nicht Gusenbauer ist für die SPÖ, sondern die SPÖ selbst ist in dieser Angelegenheit längst untragbar geworden. Wenn man das Glücksspiel schon nicht verbieten will, weil man es damit nur in die Illegalität drängte, so ist gerade von einem sozialdemokratischen Standpunkt aus nicht einzusehen, warum Einkünfte aus dieser - mehr oder weniger - freiwilligen Steuerleistung privatisiert werden dürfen. Doch diesem Gedanken, von den Schäden der Spielsucht abgesehen, auch nur beim kleinen Glücksspiel Bahn zu brechen war in der SPÖ schon schwer genug. Das an einer Person auszulassen, als hätte diese allein die moralische Inkarnation dieser Partei darzustellen, bedeutet, den Sack zu hauen, wo man den Esel meint.

Gusenbauer hat die SPÖ als Notnagel übernommen, er hat sie in die Kanzlerschaft zurückgeführt, ihn nun als ihren Sargnagel hochzustilisieren geht am Thema vorbei. (Günter Traxler, DER STANDARD, 7.6.2013)