Gebannt blicken die Türkei und die mit ihr verbündeten Regierungen auf Tayyip Erdogan, der sich mit atemberaubender Starrköpfigkeit selbst ins Aus manövriert. Der türkische Premierminister, der am Montag zu einer lang geplanten Auslandsreise aufbrach und damit auch etwas von den Spannungen zwischen Staat und Protestbewegung wegnahm, ist in ein anderes Land zurückgekehrt. Ein kritisch großer Teil seiner Gefolgsleute, angefangen bei Staatspräsident Abdullah Gül und Vizepremier Bülent Arinç, hat mittlerweile eine andere Position. Sie wollen mit der Protestbewegung verhandeln, die viel zu groß geworden ist, als dass sie mit Polizei und Drohworten weggeredet werden könnte: Dialog statt Tränengas.

Es geht um ein lokalpolitisches Ereignis - den Umbau des größten Platzes in Istanbul - das ohne tatsächliche Bürgerbeteiligung denkbar schlecht vom Staat gemanagt wurde. Der Streit um den Taksim-Platz weist deshalb natürlich weit über das Lokale hinaus: auf den autoritären Stil des türkischen Premierministers, seinen Hang zum Überdimensionalen, auf die Hörigkeit von Behörden und Medien. Erdogan ist das Problem, nicht die Demonstranten.

Der Regierungschef beharrt dennoch auf der Fortsetzung des Bauprojekts. Erdogans Rücktritt scheint die logische Konsequenz. Möglich, dass er selbst darauf hinarbeitet. Möglich auch, dass er sich mit einer Regierungsumbildung oder Neuwahlen zu retten versucht. (Markus Bernath, DER STANDARD, 7.6.2013)