Die Lagebeurteilung begann um Punkt 10.30 in der Wiener Rossauer Kaserne: Verteidigungsminister Gerald Klug war bei der Sitzung anwesend, dazu sein Kabinett, die ranghöchsten Militärs des österreichischen Bundesheeres und der Generalsekretär des Außenministeriums, Johannes Kyrle, mit einem Fähnlein Diplomaten vom Minoritenplatz.
Die Präsenz österreichischer Blauhelme auf dem Golan, so die Einschätzung der sicherheitspolitischen Runde am Donnerstag, sei nicht mehr sinnvoll: Die Versorgungslinien für die Mission seien zeitweise gekappt worden, die Rotation von Soldaten sei nicht mehr gesichert. Die syrischen Bürgerkriegsparteien kämpften in der von der United Nations Disengagement Observer Force (Undof) überwachten entmilitarisierten Zone mit schweren Panzern und Artillerie gegeneinander (siehe Bericht auf Seite 2), die Qualität des Konfliktes in der Region im Süden Syriens sei nun eine völlig andere. Eine "rote Linie" sei überschritten worden.
Deswegen lautete der Tagesbefehl nach fast vierzig Jahren österreichischer Präsenz auf dem Golan und etwa zwei Stunden Sitzung: geordneter Abzug. In etwa zwei bis vier Wochen soll das österreichische Undof-Kontingent die Region verlassen haben, hieß es im Verteidigungsministerium. Man wolle der Uno und den Israelis ("Das sind wir ihnen schuldig") noch genügend Zeit geben, um sich neu zu disponieren. Der Abzug der rund 380 Mann solle über Israel erfolgen, weil ein österreichischer Konvoi bereits vor einem halben Jahr auf dem Weg zum Flughafen nach Damaskus unter schweren Beschuss geraten sei.
Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger führten am Nachmittag die Beweggründe dafür aus. Die Gefährdung der österreichischen Soldaten sei "auf ein inakzeptables Maß angestiegen". Bundespräsident und Oberbefehlshaber Heinz Fischer stimmte zu, "wenn dies nötig ist".
Israelis, Inder und Filipinos
Das Außenamt informierte kurz nach der Entscheidung die Vereinten Nationen über den Abzug. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon habe dies "zur Kenntnis genommen", hieß es. Auch Anrainer Israel sowie die Philippinen und Indien (ebenfalls zwei Truppensteller bei der Undof-Mission) seien verständigt worden.
Die Entscheidung der Bundesregierung traf allerdings nicht auf ungeteilte Zustimmung. Der pensionierte General Wolfgang Jilke, der letzte österreichische Undof-Kommandant, erklärte im Gespräch mit dem Standard: "Aus politischer Sicht ist das ein Fehler, weil damit das letzte Element der Stabilisierung aus dem Nahen Osten entfernt wird. Ich kann
die Entscheidung aus österreichischer Perspektive nachvollziehen, aus internationaler Perspektive ist sie falsch." Die Undof hätte schon viel früher Rebellen und Armee aus ihrem Mandatsgebiet drängen müssen. Das sei nicht geschehen, und das "Pferd im Galopp" sei später kaum noch einzufangen gewesen.
Ein noch aktiver General des Bundesheeres, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, sagte: "Es gibt viele Graustufen zwischen einem Totalabzug und einem Bleiben. Da wäre auch eine andere Lösung möglich gewesen." (Christoph Prantner /DER STANDARD, 7.6.2013)