Hier ein Spiegel, da ein Nippes, Galerie gibt's soundso: Das Sarasines spielt auf unprätentiöse Art mit Frankreich-Klischees.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Und die Schnecken in Pastis sind überhaupt das Beste.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Es kann natürlich am hübschbärtigen Kellner samt Glutaugen und Accent très charmant liegen, dass die einzigen Gäste an jenem Abend Studentinnen waren, die sich bei Foie gras, einer Kanne Tee und einer Prise Tratsch aufs Sittsamste in ihren Lehrbüchern versenkten. Es kann aber auch sein, dass die Einrichtung des Sarasines mit seiner unverhohlenen Freude an Kitsch, Trödel und Theatralik einfach besonders angetan ist, die feminine Seite in uns anzusprechen.

In jedem Fall ist es der neueste Zugang einer Reihe von Lokalen, in denen Wien seine spät erwachte Liebe zum Französischen ausleben darf. Den Postillon spielt diesmal Thierry Deneuve, der in Paris als Caterer für allerhand teuer beleumundete Modemacher werkte, bevor er die Entfernung zu seiner in Wien arbeitenden Frau Shérazade nicht mehr aushalten wollte - und in der Lange Gasse aus einem ausgeleierten Pub ein Bistrot machte.

In puppensüßem, altem Kleingeschirr

Der Name bezieht sich einerseits auf die Buchweizen-Crêpes, die nur mittags gebacken und gefüllt werden - weil Buchweizen im Französischen "sarrasin" genannt wird. Und auf die maghrebinische (also im weitesten Sinn sarazenische) Herkunft seiner Liebsten.

Abends wechselt das Programm, statt Crêpes und allerhand Salaten kommen dann "Croques en bouche" zu Tisch, kulant kalkulierte Kleinportionen diverser Köstlichkeiten, die man tunlichst gemeinsam verkosten sollte. Das kann die bereits erwähnte Foie-gras-Terrine mit Feigenkompott und geröstetem Brioche sein, knusprig geile Croques Monsieurs oder ganz köstliche Rillettes, die wie vieles hier in puppensüßem, altem Kleingeschirr serviert werden.

Auch die geflochtenen Brotkörbe werden Freunde gepflegten Trödels zu erfreuen wissen, die feist runden "Assiettes à escargot" aus Steingut sowieso. Vor allem, weil die darin präsentierten Schnecken, die beim Servieren mit Pastis flambiert werden, echt herrlich schmecken.

Entenmuskelmagen

Dazu eine Flasche weißen Bordeaux um schlanke 19 Euro, und man ist erst einmal versöhnt mit dem Sommer. Dann kommen Gésiers de canard zu Tisch, wie alles hier in anmutiger Kleinportion zu ebensolchem Preis. Die werden auf der Karte zwar als Entenmuskelmagen übersetzt, was nicht jedem verlockend klingen mag, aber umso außerordentlicher gut schmeckt.

Die Mägen werden schließlich nach klassischer Manier mit allerhand Kräuterbouquets gebraten, bevor sie für viele Monate im Entenschmalz eingegossen auf die obersten Regale der Speis verbannt werden - auf dass die Fettsäuren ihre Arbeit tun und die zachen Bemmel in zarte Wonneproppen verwandeln. Serviert werden sie knusprig geröstet und auf (leider gar weiche) Fisolen gebettet.

Patziges Boeuf bourguignon

Überhaupt ist Gemüse nicht die Stärke des Lokals. Ein paar nach Studentenart mit Knofl und Herbes de Provence bedeckte Tomatenhälften im Rohr weich werden zu lassen scheint hier schon das Höchste der Gefühle zu sein.

Auch patziges Boeuf bourguignon oder der "nach Pfadfinderart" im Rohr gebackene Camembert (üble Industrieware) sollten beim Bestellen tunlichst übergangen werden. Wobei: Zu einem Glas "Pontificis" aus dem Languedoc, der wie ziemlich guter Chateauneuf schmeckt, geht sogar der runter. Alles in allem ein sehr entspanntes, charmantes Wiener Bistrot, zur Abwechslung sogar von Franzosen gemacht. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 7.6.2013)