Abgesehen von kleineren diplomatischen und humanitären Maßnahmen haben Europa und die USA in den vergangenen zwei Jahren praktisch tatenlos zugesehen, wie Syriens Assad-Regime fast 80.000 Zivilisten getötet und eine weitere Million zur Flucht gezwungen hat. Trotz der Vernachlässigung des Westens gelingt es den syrischen Rebellen dennoch immer wieder, kleinere Siege auf dem Schlachtfeld davonzutragen.
Das Assad-Regime hat breite Unterstützung
Durch die jüngste Unterstützung jedoch, die das Assad-Regime von Russland, dem Iran und der Hisbollah erhält, geraten die Rebellen immer stärker in Bedrängnis. Auch wenn die Aufhebung des Waffenembargos durch die EU - oder besser deren Unfähigkeit, es zu verlängern - als erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung gesehen werden kann, wird das doch das militärische Gleichgewicht nicht sofort zugunsten der Rebellen verändern können.
Während sich der Westen trotz gegenteiliger Beteuerungen bislang nur peripher am Sieg der Rebellen interessiert gezeigt hat, sieht die Situation im Lager Assads ganz anders aus. Die Hisbollah schickt Kämpfer nach Syrien, der Iran schickt Geld und militärische Berater und Russland schickt Waffen, darunter auch modernste Luftabwehrraketen, die eine etwaige westliche Intervention abschrecken sollen. Während also die Verbündeten Assads konkrete Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass dieser an der Macht bleibt, bereiten die EU und die USA eine von vornherein zum Scheitern verurteilte Friedenskonferenz in Genf vor.
Genf II ist zum Scheitern verurteilt
In diesem Zusammenhang erklärte der britische Außenminister William Hague kürzlich, die Aufhebung des Waffenembargos sei ein klares Signal an das Assad-Regime, an ernsthaften Verhandlungen in Genf teilzunehmen, da der Westen ansonsten alle Optionen noch einmal prüfen werde. Es bleibt zu hoffen, dass dies nicht nur leere Worte waren, denn die Aussichten auf einen Erfolg von Genf II stehen eher schlecht. Der viel wahrscheinlichere Ausgang der Konferenz ist eine noch tiefere Spaltung der ohnehin schon stark fragmentierten syrischen Opposition.
In jedem Fall scheint Assad nicht die Absicht zu haben, Syrien in absehbarer Zeit zu verlassen. Das zeigte sich auch deutlich in seiner äußerst kämpferischen Reaktion auf die Aufhebung des Waffenembargos im Sprachrohr des Regimes, "Al-Baath": "Die USA und ihre Untergebenen, Frankreich und Großbritannien, können Syriens militärischen Sieg nicht akzeptieren, denn dieser würde es Syrien erlauben, bei der Genf-II-Konferenz die Bedingungen einer politischen Lösung zu diktieren." Sollte sich die Situation nicht ändern und Russland Assad nicht fallenlassen, wird sich dessen Einschätzung wohl sehr bald als richtig erweisen.
Islamistische Milizen gewinnen an Boden
Wie auch immer Genf II ausgehen mag, der Bürgerkrieg in Syrien wird weitergehen. Und die andauernde westliche Tatenlosigkeit birgt weitaus größere Gefahren - zum Beispiel das Übergreifen des Konflikts auf Nachbarstaaten und/oder die Übernahme von Assads Chemiewaffen durch Terrororganisationen - als jene, die mit der sofortigen Lieferung von Waffen an die Rebellen verbunden wären.
Diese Aufgabe jedoch überlässt der Westen nun schon mehr als ein Jahr lang Saudi-Arabien und Katar, also den Salafisten und der Muslimbruderschaft, und muss nun zusehen, wie islamistische Milizen - manche mit enger Bindung an Al-Kaida - in Syrien immer mehr an Boden gewinnen.
Daher sollte die EU und somit auch Österreich das Ende des Embargos eigentlich als Chance begrüßen, den Konflikt in Syrien positiv beeinflussen zu können. Mit besseren Waffen werden die nichtislamistischen Gruppen mehr Anhänger gewinnen, dem Regime mehr Schaden zufügen und letztlich auch zu einem ernst zu nehmenden Gegengewicht der islamistischen Milizen in einem etwaigen Kampf um die Zukunft Syriens nach Assads Fall. Gerade mit Blick auf diesen letzten Punkt ist es besonders wichtig, dass der Westen seine Bindung an die nichtislamistischen Rebellengruppen stärkt, um auch den friedvollen Wiederaufbau des Landes unterstützen und etwaige Vergeltungsmaßnahmen an der alawitischen Gemeinde verhindern zu können, aus der sich das Assad-Regime großteils rekrutiert.
Waffenlieferungen werden den Konflikt rascher beenden
In der kurzen Frist wird die Lieferung von Waffen den Konflikt wahrscheinlich verschärfen, und mehr Menschen werden sterben. Keine Waffen zu liefern würde den Konflikt jedoch um Jahre oder gar Jahrzehnte verlängern und die Zahl der Opfer ins Unermessliche steigern. Natürlich kann nicht verhindert werden, dass einige dieser Waffen in die Hände islamistischer Terroristen fallen. Aber während das Arsenal der Islamisten schon heute ständig anwächst, geraten die nicht religiös motivierten Gruppen, jene, die für Freiheit und Demokratie kämpfen, immer weiter ins Hintertreffen.
Derzeit sind die USA noch eher zurückhaltend, was die Lieferung von Waffen an Syriens Opposition betrifft. Die Ausweitung des Konflikts auf die gesamte Region ebenso wie das programmierte Scheitern der Genfer Konferenz werden die Obama-Regierung jedoch letztlich zum Einlenken bewegen. Sieht man von einer ohnehin äußerst unwahrscheinlichen Verhandlungslösung ab, so wäre ein militärischer Sieg des Assad-Regimes ein herber Rückschlag, nicht nur für die syrische Bevölkerung, sondern auch für die USA und ihre europäischen Verbündeten. (David Innerhuber, Leserkommentar, derStandard.at, 7.6.2013)