4. Juni 2020, herrlich frühsommerlicher Donnerstag. Entspannt unterwegs im i5 auf der A9 München-Nürnberg. Brettljause soeben beendet, die gepflegte Hopfenstangen-Hollertau ist zu dieser Jahreszeit ein Augenschmaus. Und nun, Konzentration bitte: Da vorne ist das Tempolimit aufgehoben - Autopilot deaktivieren, sieht nach ein paar Minuten Spaß aus, wir übernehmen selbst das Steuer. Freude am Fahren und Freude am Fahrenlassen? Wechseln einander ab.
Sieben Jahre vorher, 4. Juni 2013, wolkenverhangener Dienstag. Wie alles begann. Noch wirkt das mitunter etwas unbeholfen, es lässt sich aber schon erahnen, was daraus werden soll. BMWs Forschungsabteilung hat zwei Versuchsträger für hochautonomes Fahren zusammengebastelt, mit einem Kofferraum voller zusätzlicher Technik, in einem der beiden Autos bekommen wir soeben demonstriert, wie weit man mit dem Thema vorangekommen ist.
Intuitives Fahren gesucht
10.000 Autobahnkilometer haben die zwei Fahrzeuge (kontinuierlich werden weitere folgen) bereits hinter sich, das Tempospektrum liegt zwischen null und 130 km/h, gerade fahren wir hinter einem Sattelschlepper, und schon haut der elektronische Kopilot den Blinker rein, zieht auf die mittlere Spur, beschleunigt, überholt, blinkt und zieht wieder rein nach rechts, aber hallo, das funktioniert ja schon ganz gut.
Die Knackpunkte, erzählt ein herrlich schwyzerdütschelnder Techniker, lägen derzeit bei der Genauigkeit des digitalen Kartenmaterials und bei der Fahrstrategie - dem Auto also beizubringen, intuitiv zu fahren wie ein Mensch.
50 Forscher am Werk
Was das Ding noch nicht kann, sind Baustellen, und an Tempolimits hält er sich so exakt, dass beispielsweise ein Laster in der 80er-Zone mit Tempo 90 zur Kofferrauminspektion ansetzt. Ansonsten aber bewegt der hochautonome BMW sich, wie gesagt, schon recht flott innerhalb der Fragestellung "Wissen, wo wir sind, wo die anderen sind und wie wir fahren".
Seit Jänner (bis Ende 2014) kooperieren BMW und Continental dabei in einer Forschungspartnerschaft, rund 50 Mann sind hierzu abgestellt. Es geht um die nächsten Schritte, darum, hochautomatisiertes Fahren "auf europäischen Autobahnen mit all ihren Herausforderungen, durch Mautstellen, Baustellen und über Ländergrenzen", in Schwung zu bringen.
Teilautonome Funktionen
Technikwettkampf Warum BMW gerade jetzt zu einem Workshop lädt, der hochautonomes Fahren inkludiert, eines der ganz heißen Themen der kommenden Jahre, ist selbsterklärend: Mercedes lanciert Mitte Juli die Neuauflage der S-Klasse, und die ist das erste Serienfahrzeug mit teilautonomer Fahrfunktion - der "Stop & Go Pilot" nimmt dem Fahrer lästige Strecken bis 60 km/h ab. Damit die Schwaben nicht alle Lorbeeren ernten, kontert BMW heuer noch mit einem ähnlichen System. Und 2020, über den Daumen gepeilt, sollte das dann auch auf der Autobahn klappen.
Damit wechseln wir das Fahrzeug, steigen um in ein global vernetztes 6er-Cabrio, und so omnikonnektiert fühlt man sich gleich aber so was von geborgen. Zweck der Übung: Unter "Connected Drive Services" installiert BMW soeben seine neu organisierte Plattform für Onlinedienste, und wir hanteln uns probeweise durch die schöne neue Parallelwelt. Musikdienst zum Beispiel. Suche Beethoven, Violinkonzert op. 61. Findet sich nach längerer Suche. Was sich nicht findet: die Wunschaufnahme mit Anne-Sophie Mutter und Herbert von Karajan, 1985.
Herr Flockinger bittet um Hilfe
Gut. Die per Flatrate zugängigen zwölf Millionen Musiktitel und 250 Musikkanäle sind sowieso eher für Hörer gedacht, die sich vorwiegend Populäres in die feinheitsresistenten Gehörgänge ziehen. Testen wir also eine andere Funktion. Concierge Service. Vor Abfahrt am Computer gebucht via BMW Connected Drive Store.
Ranfahren an den Wegesrand. Zweimal tutet das Telefon, schon frägt eine höfliche Dame nach dem Begehr. Man tauscht Namen aus. "Wir kommen aus Österreich, haben uns in der bayerischen Wildnis verirrt. Können Sie uns weiterhelfen? Wir müssen zu BMW nach Garching." "Kein Problem. Darf ich das Ziel in Ihr Navi eingeben?" "Besten Dank!" "Kann ich sonst noch was für Sie tun, Herr Flockinger?" "Für die Rückfahrt nach Österreich: Wie ist die Hochwasserlage in Krems? Alle Straßen passierbar?" "Moment bitte. ... Sie werden keine Probleme auf Ihrer Heimreise haben. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag."
Freundlichkeit kostet
So viel Freundlichkeit gibt's natürlich nicht gratis, sie ist eines von unzähligen Beispielen für zu bezahlende Onlinedienste. BMW steigt damit in eine völlig neue Dienstleistungsdimension ein, die vom Nerd bis zum weniger technikaffinen Kunden die gesamte Bandbreite abdecken soll.
Anders als bisher wird dazu standardmäßig in jedem Auto die entsprechende Hardware installiert - die Software kann man sich wie im App-Store daheim oder im Auto freischalten lassen. Und auch, wenn der Einstieg in diese Welt viel günstiger wird als bisher (in Österreich 430 €), beruhigt BMW bange Gemüter: "Keine Sorge: Wir werden damit richtig viel Geld verdienen."
Äußerer Anlass für die neue Connected-Drive-Ära ist übrigens BMWs Einstieg in die elektrische Mobilität im Herbst mit dem i3. Und damit reaktivieren wir die Future-App, zurück ins Jahr 2020 und in den fiktiven i5, simulieren Sommer und lassen uns ins Lenkrad greifen. Wenn auch ungern. (Andreas Stockinger, DER STANDARD, 7.6.2013)